Niedersachsens Innenminister wird immer häufiger beleidigt und bedroht
Archivmeldung vom 03.05.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićNiedersachsens Innenminister Boris Pistorius beklagt eine zunehmende Verrohung in der politischen Auseinandersetzung. "Wo es früher noch Hemmschwellen gab und die Menschen zumindest in persönlichen Begegnungen den Anstand gewahrt haben, klicken heutzutage die Tastaturen nachts um eins oder morgens um fünf. Dann wird rausgehauen, was einem gerade in den Kopf kommt", sagte der SPD-Politiker im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ).
Weiter stellte er unmissverständlich klar: "Derartige Grenzüberschreitungen dulden wir nicht, sondern verfolgen sie konsequent, weil sie Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie sind."
Pistorius machte gleichzeitig deutlich, dass auch er immer häufiger Opfer persönlicher Anfeindungen werde. "Ja, das hat zugenommen. Nicht nur in der Anzahl, sondern auch in der Qualität." Besonders bemerkenswert sei, dass es eine "durchaus beachtliche Zahl" von Menschen gebe, die sich nicht mal mehr die Mühe mache, ihre Wutmails zu anonymisieren. "Die halten sich dann zwar etwas mehr zurück als die anonymen Schreiber, aber auch da ist vom Vaterlandsverräter die Rede und davon, dass man aufgehängt gehöre." Erst kürzlich habe er wieder zwei Mails bekommen, in denen seine Familie und er massiv bedroht worden seien, nachdem er sich zu dem schweren Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos geäußert hatte, sagte Pistorius. "Das war sprachlich unterste Ebene, zutiefst beleidigend und eben auch bedrohend nach dem Motto "pass auf Deine Familie auf".
Der frühere Oberbürgermeister von Osnabrück, der seit 2013 niedersächsischer Innenminister ist, machte zugleich deutlich, dass er sich weder einschüchtern lasse, noch Anfeindungen einfach hinnehme. Auf die Frage, ob er nach Drohungen manchmal mit dem Gedanken spiele, sich aus der Politik zurückzuziehen, antwortete der Spitzenpolitiker: "Nein, auf keinen Fall. Dann würde ich denjenigen, die mich einschüchtern wollen, das Feld überlassen." Und an die Adresse aller, die ihn anfeindeten, sagte Pistorius: "Ich bringe alles zur Strafanzeige, was strafrechtlich relevant erscheint." Dazu rate er auch allen anderen, egal ob sie im Bundestag oder Gemeinderat politisch tätig seien.
In dem NOZ-Interview bekräftigte der Minister überdies seine Kritik an der Bundes-Notbremse. Mit dem Bundesinfektionsschutzgesetz vermittle die Bundesregierung die Botschaft, dass Deutschland besser dastehen würde, wenn der Bund die Dinge von Anfang an geregelt hätte, was "mitnichten" der Fall sei. "Ich will nur mal daran erinnern, dass der Bund es nicht auf die Kette bekommen hat, rechtzeitig Masken und Schutzausstattung zu besorgen. Der Bund hat beim Testen viel Verwirrung ausgelöst. Auch der elementarste Fehler bei der Krisenbewältigung, die unzureichende und zu späte Bestellung des Impfstoffs, geht auf das Konto des Bundes und der EU", beklagte Pistorius. An der Organisation vor Ort liege es "ganz sicher nicht". Das könne jeder bestätigen, der einmal ein Impfzentrum besucht habe. "Die laufen wie am Schnürchen", betonte Pistorius und fügte hinzu: "Wenn also jemand für sich in Anspruch nimmt, alles besser zu können, und weitere Kompetenzen an sich reißt, um von eigenen Fehlern abzulenken, dann ärgert mich das und bringt uns überhaupt nicht weiter."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)