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Maßhalten und durchhalten

Archivmeldung vom 27.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Merkel beschwört in der Haushaltsdebatte des Bundestags ihre "Politik der Mitte“ – doch der Beifall bleibt dünn.

Rein äußerlich war die Haushaltsdebatte am Mittwoch nicht von der in den Vorjahren zu unterscheiden: Kurz vor Weihnachten debattiert der Bundestag seinen Etat des nächsten Jahres, die Kanzlerin verteidigt ihre Politik, die sogleich von den Spitzen der ihre Regierung tragenden großen Koalition unterstützt und anschließend von der Opposition einhellig in Bausch und Bogen verurteilt wird. Ein Ritual, das es seit Jahrzehnten gibt - und das, so wie immer, auch an diesem Mittwoch mit der sogenannten Generalaussprache zum Etat des Kanzleramtes seinen Höhepunkt erreichte.

Und doch war dies keine "normale" Haushaltsdebatte, war der Unterschied zu den Vorjahren mit Händen zu greifen. Und zwar nicht etwa, weil die weltweite Finanzkrise mittlerweile in eine weltweite Wirtschaftskrise umschlägt. Eine Zeit "außergewöhnlicher Umstände", wie sie die Kanzlerin nennt, in der man "besondere Maßnahmen" ergreifen müsse. Sondern vielmehr, weil die Befürworter und die Kritiker des Maßnahmenpakets, mit dem die Bundesregierung diese Krise bekämpfen will, an diesem Mittwoch nicht mehr trennscharf in den traditionellen Maßstäben von Koalition und Opposition zu messen waren. Besonders weit entfernt vom Rednerpult - dort, wo die Sitze im Plenum normalerweise frei bleiben - sah man etwa den CDU-Wirtschaftsexperten Friedrich Merz Platz nehmen, während seine Kanzlerin ihre wirtschaftspolitischen Grundsätze erläuterte. So, als wollte er die seit Tagen immer drängendere Kritik aus CDU und CSU am Krisenmanagement der Kanzlerin auch rein räumlich dokumentieren. Und besonders leise sprach auch der Fraktionschef der SPD, Peter Struck, später seine Worte zur Unterstützung des großkoalitionären Krisenrettungsprogramms. Eines Programms, das international als kläglich und konzeptlos gesehen wird und dessen Inhalte auch in der SPD mehr und mehr mit Skepsis betrachtet werden.

Kanzlerin Angela Merkel nutzte ihren rund vierzigminütigen Auftritt insbesondere zur Verteidigung ihrer bisherigen Krisenpolitik und ihrer standhaften Absage an flächendeckende Steuersenkungen zur Bewältigung des konjunkturellen Abschwunges. "Maß, Mitte und praktische Vernunft", sagte Merkel, seien die Gebote des politischen Handelns, die sie leiteten, wenn die Zeiten unsicher seien. Wer gewaltige Milliarden-Investitionsprogramme erträumt oder die beherzte Senkung der Steuern als einzig probates Mittel der Krisenbekämpfung ansieht, dem erteilte die Regierungschefin eine Absage. Einen "Wettlauf der Milliarden" werde es mit ihr nicht geben. Sie setze auf die "Stärke Deutschlands" und darauf, dass die größte Volkswirtschaft Europas die Herausforderungen der aktuellen Krise bestehen werde - wie zuvor den Wiederaufbau nach dem Krieg und der Wiedervereinigung. 32 Milliarden Euro - so groß sei die deutsche Antwort auf die Krise, sagte Merkel und warnte vor einer "Psychologie des Kleinredens". Denn 32 Milliarden Euro würden ein Investitionsvolumen von 50 Milliarden Euro auslösen. Und das sei doch schließlich "nicht Nichts". Mehrfach wiederholte Merkel an diesem Mittwoch vor dem Plenum ihre Kernaussage, nach der es jetzt auf "Maßhalten" und eine "Politik der Mitte" ankomme. Und auf das Einhalten von Grundsätzen. "Hilfe zur Selbsthilfe", "Gerechtigkeit und Zusammenhalt", "Familien stärken" und "Hilfen in besonderen Fällen - wie Opel und die Bankbranche". Merkels Hoffnung: Vielleicht dauert die Krise der Weltwirtschaft nur ein Jahr an. Merkels Rezept: Eine "Brücke bauen", damit das Land über dieses Jahr kommt. Verhalten, darf man sagen, kam der Applaus aus den Reihen von Union und SPD.

Die Opposition, allen voran Oskar Lafontaine (Linke), Renate Künast (Grüne) und Guido Westerwelle (FDP) geißelten später das Programm als "unausgegoren", "zu hasenfüßig" und "ganz falsch im Ansatz". Der CDU-Abgeordnete Friedrich Merz gab einem Radiosender zu Protokoll, dass auch er auf Steuersenkungen gehofft hatte. Und noch während der Debatte im Bundestag kündigte der Vize-Regierungssprecher Thomas Steg an, dass die Koalition Anfang Januar über neue Konjunkturmaßnahmen sprechen will.

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