Andrea Nahles fordert neuen Führungsstil in der SPD
Archivmeldung vom 09.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie SPD-Linke Andrea Nahles rechnet mit dem Führungsstil von Parteichef Franz Müntefering und Kanzler Gerhard Schröder ab. "Es muss Schluss damit sein, nur zu dekretieren", forderte die Politikerin in einem Interview mit dem Hamburger Magazin stern.
"Die Partei wollte nach den Erfahrungen von sieben Jahren Rot-Grün
mehr Demokratie wagen", sagte Nahles über die Entscheidung des
SPD-Vorstandes, sie gegen Münteferings Willen als Generalsekretärin
zu nominieren. "Es war einfach an der Zeit, eine Wende im Verhältnis
zwischen Partei, Fraktion und Regierung einzuleiten", so das
SPD-Präsidiumsmitglied. Deshalb hätten sie auch viele unterstützt,
die ihre politischen Überzeugungen nicht immer teilten: "Aber sie
wollten eine selbstbewusste, lebendige Partei." Zwar sei es nicht
beabsichtigt gewesen, den Parteichef zu stürzen, aber jetzt gebe es
für die SPD "einen neuen Horizont." Wenn der designierte SPD-Chef
Platzeck und Partei-Vize Beck nun eine "offenere Kommunikation"
forderten, dann lebe die Idee ihrer Kandidatur weiter. Auch aufgrund
seiner Biografie wolle Platzeck eine "neue Diskussionskultur" und,
wie sie hoffe, auch eine "neue Streitkultur" etablieren.
Nahles begründete im stern ihre Entscheidung, nach dem Rückzug von
Müntefering die Kandidatur als Generalsekretärin zurückzuziehen: "Ich
wollte nicht so tun, als ob gar nichts passiert wäre." Es sei
unwürdig gewesen, "dass die Verantwortung wie eine heiße Kartoffel
von einem zum anderen geworfen wurde." Sie habe es notwendig gefunden
zu sagen: "Ich übernehme den Teil der Verantwortung, der mit
zufällt." Aber sie entschuldige sich "überhaupt nicht dafür, dass ich
angetreten bin." Auf eine Bewerbung als Partei-Vize habe sie
verzichtet, weil sie den Eindruck gehabt hätte, man erwarte eine
Entschuldigung von ihr: "Dazu war ich nicht bereit."
Dass sie beim Generationswechsel in der SPD keinen Posten
abbekommen habe, haue sie nicht um: "Ich bin mit mir im Reinen", so
Nahles zum stern. Auch ohne formales Amt wolle sie bei der
inhaltlichen Neuausrichtung der Partei mitmischen: "Ich habe in der
SPD noch eine Menge zu tun." Sie werde auch auf dem Parteitag in
Karlsruhe in der nächsten Woche "auf jeden Fall" für den SPD-Vorstand
kandidieren, eine Position als Fraktionsvize stünde für sie aber
"nicht auf der Tagesordnung." Auch habe sie nicht vor, in den
nächsten zwei Jahren eine weitere Kampfkandidatur zu machen.
Die SPD-Linke bekannte sich in dem stern-Gespräch klar zur großen
Koalition: "Es wird eine Herausforderung für die Partei, aber es kann
gut sein für das Land." Nahles kündigte an, dem Koalitionsvertrag
zuzustimmen. Das Bündnis aus Union und SPD könne das Gefühl
überwinden, dass Deutschland aus den Problemen überhaupt nicht mehr
rauskomme: "Bei Steuern, Haushalt, Arbeitsmarkt schaffen wir so viel
Klarheit, dass die Leute wieder planen und investieren können." Die
SPD-Linke zum stern: "Dieses Land braucht eine neue Grundmelodie:
fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen. Und nicht
mehr: o weh, o weh, o wei, o wei, herrjemine."
Quelle: Pressemitteilung stern, G+J