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Neue Erkenntnisse spielen für Verfassungsgericht keine Rolle

Archivmeldung vom 24.06.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.06.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bilde: Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. Fotograf: Getty Images
Bilde: Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. Fotograf: Getty Images

Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine weitere Verfassungsbeschwerde zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht zur Entscheidung an. 14 Beschwerdeführende aus allen Teilen Deutschlands hatten, das Gericht angerufen. Unterstützung erhielten sie von dem Verein Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung (ÄFI). Die Begründung des Gerichts: Keine Aussicht auf Erfolg.

Nachdem das BVerfG erstmals am 27. April Klagen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgewiesen hatte, ließ das Gericht nun eine Verfassungsbeschwerde unter Berufung auf ebenjene Entscheidung gar nicht erst zu. Die Beschwerde "habe keine Aussicht auf Erfolg", heißt es in dem Beschluss ohne weitere Begründung.

Unberücksichtigt ließ das Gericht den Umstand, dass sich die aktuelle Verfassungsbeschwerde von der des vorherigen Verfahrens unterschied. Konkret ging es um die jeweils aktuelle Fassung des § 20a Infektionsschutzgesetz. Dieser regelt, dass ab 15. März Beschäftigte im Gesundheitswesen einen Impf- oder Genesenennachweis oder den Nachweis einer medizinischen Kontraindikation für die Corona-Impfung vorlegen müssen.

Während das BVerfG seinerzeit nur über die am 18. März geänderte Fassung entschieden hatte, hatte die Klägergruppe beantragt, auch über die zum Stichtag 15. März maßgebliche alte Fassung - Stichwort "unzulässige doppelte dynamische Verweisung" - zu entscheiden.

Ein weiterer Kritikpunkt: Im Beschluss vom 27. April hatte das Gericht die Verletzung des Art. 3 GG (Gleichheitsgrundrecht) nicht näher geprüft. Auch dazu hatte die Klägergruppe eine Verletzung in mehreren Vergleichskonstellationen dargelegt.

Auf Aktualisierungen nicht eingegangen

Neben der ursprünglichen Verfassungsbeschwerde hatten die Prozessbevollmächtigten vier weitere ergänzende Schriftsätze eingereicht, zuletzt am 15. Mai. Auch auf diese Aktualisierungen, welche die neue Studienlage berücksichtigen, ging das BVerfG nicht ein.

Entgegen dem gesetzlichen Regelfall sah das Gericht von einer mündlichen Verhandlung zu den relevanten medizinischen und epidemiologischen Sachfragen ab. Damit wurde den Beschwerdeführenden auch die Möglichkeit genommen, ihre Sichtweise und Bedenken dem höchsten Gericht unmittelbar vorzutragen.

Der Beschluss wurde bereits am 1. Juni gefasst und der Klägergruppe am 22. Juni zugestellt. Mit den Stimmen von zwei Richterinnen und einem Richter votierte die Dritte Kammer des Ersten Senats einstimmig. Er ist ein weiterer Rückschlag für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen. Die Beschwerdeführenden aus unterschiedlichen betroffenen Berufsgruppen hatten als Klägergruppe zusammengefunden. Sie alle wenden sich aus je unterschiedlichen persönlichen Gründen gegen die Covid-19-Impfpflicht. Sie eint die Ablehnung einer staatlichen Impfpflicht und der Wunsch nach Wahrung einer selbstbestimmten individuellen Impfentscheidung.

Klägergruppe sieht Grundrechte verletzt

Im Wesentlichen sehen sie sich in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG), in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und in ihrem Grundrecht auf Selbstbestimmung (Art. 1 u. 2 GG) verletzt. Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und Autonomie wiegt umso schwerer angesichts der weiterhin nur bedingt zugelassenen Impfstoffe und ihrer noch fortdauernden Beobachtung und Überprüfung durch die Zulassungsbehörden.

Im ersten Verfahren zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht war ÄFI vom BVerfG als sachverständiger Dritter angefragt worden. Der Verein hatte eine ausführliche evidenzbasierte Stellungnahme zur Frage der (fehlenden) Eignung und (fehlenden) Erforderlichkeit der Impfpflicht abgegeben.

"Nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zur Bundesnotbremse und zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht war eine solche Entscheidung leider schon vorgezeichnet", erklärt Rechtsanwalt Jan Matthias Hesse von der Kanzlei Keller und Kollegen (Stuttgart). ÄFI hatte bereits bei der Verfassungsbeschwerde mit der Kanzlei zusammengearbeitet, die nun die Beschwerdeführenden als Prozessvollbemächtigte vertrat.

Trotz Ablehnung: Argumente bleiben bestehen

Die Karlsruher Entscheidung ist unanfechtbar. Möglich wäre eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Damit könnte eine Verletzung der in der Europäischen Konvention verbürgten Menschenrechte (EMRK) gerügt werden. "Es sind vier Monate Zeit, eine solche Beschwerde einzureichen," so Hesse. ÄFI wird mit den Prozessbevollmächtigten beraten, inwiefern dieser Weg erfolgversprechend ist.

Was die Nachweispflicht für die betroffenen Beschäftigten im Gesundheitswesen angeht, sieht der Rechtsanwalt Ansatzpunkte für weitere rechtliche Schritte. "Wer den Rechtsweg gegen Maßnahmen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht beschreitet, kann weiterhin die veränderten, tatsächlichen Verhältnisse geltend machen: dass die Impfpflicht nicht geeignet, erforderlich oder verhältnismäßig ist. Ebenso kann mit Blick auf die Verfassungswidrigkeit von § 20a IFSG in seiner alten Fassung zum 15. März eingewendet werden, dass die Neuregelung ohne Übergangsregelung verfassungswidrig war." Schließlich verstoße die extrem unterschiedliche Umsetzung durch die Bundesländer gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

Seit Bekanntwerden der gesetzgeberischen Initiativen hat sich ÄFI vehement gegen die Einführung einer einrichtungsbezogenen wie auch allgemeinen Impfpflicht gegen COVID-19 engagiert. Flankierend zur Vorbereitung der Verfassungsbeschwerde wurden auch zwei verfassungsrechtliche Gutachten bei Prof. Dr. Dr. Boehme-Neßler eingeholt.

"Wir danken allen Beteiligten für Ihren Einsatz und Ihre Mitwirkung", erklärt ÄFI-Vorstand Dr. med. Alexander Konietzky. "Wir werden uns auch weiterhin mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die sinn- und wirkungslose einrichtungsbezogene COVID-19-Impfpflicht aufgehoben wird."

In den nächsten Tagen wird der Verein die auf seiner Website zur Verfügung gestellten Materialien zur einrichtungsbezogenen Impf- und Nachweispflicht an die geänderte Situation anpassen.

Quelle: Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. (ots)

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