„Katastrophen“ und „Bierdeckelkompromisse“
Archivmeldung vom 12.07.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakDer Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur übt scharfe Kritik an der Zusammenarbeit von Bundesagentur und Kommunen in den Jobcentern. Ausbaden müssen die Misstände die Arbeitslosen.
Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), hat die
praktische Zusammenarbeit von Bundesagentur und Kommunen in den
Jobcentern als „Katastrophe“ bezeichnet. Die bundesweiten
Arbeitsgemeinschaften (Argen), in denen Kommunen und Bundesagentur je
zur Hälfte Verantwortung trügen, seien „ein
Mitternachtsbierdeckelkompromiss von beruflich unerfahrenen Menschen“
gewesen, sagte Weise am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Er fügte
hinzu: „Die Konstruktion der Arbeitsgemeinschaften war im Prinzip gut –
Zusammenarbeit BA mit privaten Dritten, mit Kommunen, mit
Wohlfahrtspflege praktisch eine Katastrophe.“
Der BA-Chef sprach sich für das auch von Bundesarbeitsminister Olaf
Scholz (SPD) vorgesehene Modell des „kooperativen Jobcenters“ aus.
Darin solle die Bundesagentur alleine für Beratung und Vermittlung von
Arbeitslosen zuständig sein. Die Kommunen hingegen sollten
„sozial-integrative Leistungen“, die für die Arbeitsaufnahme wichtig
seien – beispielsweise Kinderbetreuung – zur Verfügung stellen. Eine
klare Aufgabenverteilung sei „das viel bessere Modell, als 50:50 über
Schreibtischhöhe, Kauf von Briefmarken oder sonst was zu entscheiden“.
Auch Karlsruhe drängt auf Reformen
Das
Bundesverfassungsgericht hatte die gemeinsame Betreuung von „Hartz
IV“-Empfängern durch die Bundesagentur für Arbeit und Kommunen als
„Mischverwaltung“ für verfassungswidrig erklärt und eine
Umstrukturierung bis Ende 2010 angeordnet. Die als Jobcenter bekannten
bundesweit rund 350 Argen sind für die Auszahlung des
Arbeitslosengeldes II und die Betreuung und Vermittlung von
Langzeitarbeitslosen zuständig.