Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre: Grünen-Obfrau hält im stern-Interview Michael Hartmann für unglaubwürdig
Archivmeldung vom 13.01.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic hegt in der neuen Ausgabe des stern große Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Michael Hartmann. Der SPD-Abgeordnete Hartmann hatte zuletzt Sebastian Edathy widersprochen, nur einer von beiden kann die Wahrheit sagen. Falls Hartmann sich "als Lügner entpuppt, hat natürlich auch Thomas Oppermann und damit die SPD ein gewaltiges Problem", sagte die Polizeibeamtin Mihalic, die für die Grünen-Fraktion als Obfrau im Untersuchungsausschuss sitzt. "Edathy hat ihn ja mehrfach belastet."
Irene Mihalic analysiert im Interview mit dem stern ausführlich Hartmanns bisherige Äußerungen. Schon dessen schriftliche Erklärung, die er wenige Tage vor seiner Befragung als Zeuge abgab, habe sie stutzen lassen. Mihalic: "Es ging um die Frage, wer auf wen zugekommen sei an jenem 15. November 2013, als Medien über die kanadische Firma berichteten, die mit Bildern und Filmen nackter Kinder handelte und auch Hunderte Deutsche belieferte. Hartmann sagte in seiner Erklärung, Edathy sei am Rande des SPD-Parteitags auf ihn zugegangen. Wenn man sich das mal vorstellt: Edathy kommt durch Ermittlungen mit Kinderpornografie in Berührung. Er mag sich für unschuldig halten, aber er weiß: Gesellschaftlich bin ich erledigt, wenn das bekannt wird. Und da öffnet er sich gleich mal einem Parteikollegen, erzählt ihm die delikate Lage? Ist das realistisch? So etwas vertraut man doch kaum seinem engsten Freund an. Und Edathy und Hartmann waren laut Hartmann keine Freunde, haben sich nicht mal besonders gemocht."
Dass sich Hartmanns Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss in wesentlichen Punkten von seiner schriftlichen Erklärung unterschieden, lässt Irene Mihalic ebenfalls an dessen Glaubwürdigkeit zweifeln. "In der Erklärung behauptet Hartmann, er habe verschiedentlich mit Edathy über dessen Befürchtung kommuniziert, gegen ihn könne strafrechtlich ermittelt werden. Als wir ihn dann im Ausschuss vernahmen, sagte er plötzlich, er habe niemals mit Edathy über derlei Befürchtungen gesprochen."
Michael Hartmann sagte als Zeuge im Ausschuss auch, das Wort "Kinderpornografie" sei zwischen ihm und Edathy nie gefallen. Michalic hält das im stern für wenig einleuchtend: "Da sind wir wieder bei der Lebenswirklichkeit: Medien berichten von der Firma, von kinderpornografischem Material, von deutschen Kunden. Edathy hat da auch bestellt. Er spricht mit Hartmann darüber. Aber niemals soll dabei das Wort Kinderpornografie gefallen sein? Ja, worüber haben die beiden denn dann geredet? Glaubwürdig geht anders, finde ich."
Die Polizeibeamtin wundert sich zudem über die zahlreichen Erinnerungslücken, die im Laufe der Vernehmung Michael Hartmanns auftraten. "Es klingt nicht glaubwürdig, dass man so viel vergisst, wenn man versucht hat, einem Kollegen mit Suizidabsichten beizustehen. Das hat Hartmann uns ja immer gesagt: dass er sich Sorgen gemacht habe wegen Edathys Gesundheit, dass er Angst hatte, Edathy bringe sich um. Für Hartmann muss das eine einschneidende Erfahrung gewesen sein. Und ein Jahr später erinnert er sich an vieles nicht mehr?"
Die Grünen-Fraktion würde im Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre gerne Hartmann und Edathy als Zeugen gemeinsam befragen. Mihalic sagte, "der psychologische Druck" nehme bei solchen Gegenüberstellungen zu. "Es ist schwieriger, dem anderen ins Gesicht zu lügen." Solch einer Doppel-Befragung müssten allerdings zuvor die SPD oder die Union zustimmen.
Der Ausschussvorsitzenden und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD, Eva Högl, widerspricht Irene Mihalic in einem wesentlichen Punkt. Högl hatte kürzlich gegenüber der "Berliner Morgenpost" behauptet, Sebastian Edathy äußere sich widersprüchlich bei dem Punkt, ob er gewarnt worden sei: Erst habe er, so Högl, gesagt, er habe aus den Medien über die Ermittlungen gegen ihn erfahren, nun solle auf einmal Michael Hartmann sein Informant gewesen sein. Mihalic sagte dem stern dazu: "Es mag für die SPD-Spitze politisch günstig sein, wenn Edathy sich scheinbar widerspricht. Aber in Wirklichkeit sagt Edathy ja, er habe Details von Hartmann bekommen. Von den Ermittlungen an sich hat er nach eigener Aussage aus den Medien erfahren. Das ist also kein Widerspruch."
Quelle: Gruner+Jahr, stern (ots)