Regierungsfraktionen stimmen für Streubomben - Einsatz und Produktion bleiben weiterhin erlaubt
Archivmeldung vom 29.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittOhne Debatte hat der Deutsche Bundestag am gestrigen Abend mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU ein umfassendes Verbot von Streumunition verhindert. Noch vor wenigen Tagen hatten sowohl SPD-Chef Kurt Beck als auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul öffentlich für eine Vernichtung aller Streumunitionen der Bundeswehr bzw. für ein Verbot dieser Waffen votiert.
"Solange Produktion, Export und Einsatz von Streumunition nicht
umfassend verboten wird, solange wird diese Waffe enorme humanitäre
Probleme verursachen, " warnt Thomas Gebauer von medico
international.
Der Koalitionsantrag fordert zwar einen Beschaffungsstopp für
Streumunition, erlaubt aber zukünftig deren Einsatz, was Munitionen
mit hoher Blindgängerquote einschließt. Die im Koalitionsantrag auch
geforderten Export- und Herstellungsverbote beziehen sich auf
veraltete Munitionstypen, die in Deutschland seit Jahren nicht mehr
hergestellt werden. Gegenwärtige Produktionen, z.B. von 155 mm
Geschossen mit Streumunition, bleiben unangetastet. Erlaubt bleiben
soll weiterhin auch die Herstellung und die Ausfuhr von
Verlegesystemen für Streumunition, wie z.B. Raketen und Haubitzen.
"Und deshalb, " so Thomas Küchenmeister vom Aktionsbündnis
Landmine.de, "darf dieser Antrag nicht Grundlage zukünftiger
deutscher Rüstungskontrollpolitik werden."
Streumunitionen, die über eine Blindgängerrate von mehr als einem
Prozent verfügen, will die Koalition außer Dienst stellen. "Wie ein
solcher Abrüstungsschritt verifiziert werden soll, ist allerdings
schleierhaft", sagt Thomas Küchenmeister. Er verweist auf die
grundsätzliche Weigerung des Verteidigungsministeriums,
Testergebnisse von Streumunitionen zu veröffentlichen.
Streumunition schließlich, die über eine Blindgängerrate von
weniger als einem Prozent verfügt, bezeichnet die Regierungskoalition
als für Zivilisten ungefährlich. "Angesicht der Situation im Libanon
ist es absolut inakzeptabel zwischen ungefährlicher und gefährlicher
Streumunition zu unterschieden", sagt Thomas Küchenmeister. Laut UNO
werden tausende Streumunitionsblindgänger im Libanon von angeblich
ungefährlicher Munition verursacht. Diese Blindgänger wirken wie die
verbotenen Antipersonenminen.
Die im Aktionsbündnis Landmine.de zusammengeschlossenen
Hilfsorganisationen bewerten es positiv, dass das Thema Streumunition
überhaupt eine parlamentarische Behandlung erfährt. Doch angesichts
des unzureichenden Koalitionsantrages fordern sie jetzt eine
umfassende politische Initiative.
"Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind jetzt
aufgefordert, Druck auf die Bundesregierung auszuüben, zumindest die
Forderungen des Koalitionsantrages umzusetzen", sagt François De
Keersmaeker von Handicap International. "Will die Regierung jedoch
ihre Glaubwürdigkeit wahren, muss sie sich auch im Rahmen der
anstehenden EU-Ratspräsidentschaft für die Installation von
Moratorien gegen Streumunition einsetzten, wie vom Europaparlament
gefordert, " betont De Keersmaeker.
Ein Antrag der FDP, der ein Verbot von Streumunition und Landminen
fordert, erhielt keine Mehrheit und wurde nicht an die Ausschüsse
verwiesen. Der Antrag der Bündnisgrünen hingegen, der ein Moratorium
für Streumunition fordert, bis ein umfassendes Verbot vereinbart
wird, wurde an die Ausschüsse verwiesen, was eine weitere
parlamentarische Behandlung sicherstellt.
In einem Aufruf, der vom Berliner Tagesspiegel und der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde, hatten zuletzt auch viele Prominente, darunter Anne Will, Ulrike Folkerts sowie Günther Jauch und Miroslav Klose, die Verbotsforderung für Streumunition unterstützt.
Quelle: Pressemitteilung Aktionsbündnis Landmine.de