Umfrage: 2 von 3 Kommunen hatten direkten Kontakt mit Reichsbürgern
Archivmeldung vom 25.06.2019
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Freigeschaltet durch André OttIn jeder zwölften Stadt und Gemeinde in Deutschland sind Mitarbeiter oder Amtsträger Opfer körperlicher Gewalt im Amt geworden. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Magazins KOMMUNAL.
Demnach hat sich die Zahl der Gewaltattacken innerhalb von zwei Jahren um 25 Prozent erhöht. Im Jahr 2017 gaben bei einer gleichen Erhebung des Magazins sechs Prozent aller Kommunen an, dass Bürgermeister, Mitarbeiter oder Gemeinderäte angegriffen wurden, jetzt sind es acht Prozent. Ähnlich wie damals sind Bürgermeisterinnen und Bürgermeister besonders häufig betroffen. "Rund 2 Prozent der gut 11.000 Stadtoberhäupter in Deutschland hat Gewalt bereits am eigenen Leib erfahren müssen", erläutert KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Erhardt die Ergebnisse. Immer wieder werden auch Stadt- und Gemeinderäte sowie Verwaltungsmitarbeiter von Bürgern körperlich angegriffen.
"Vier von zehn Kommunen haben zudem mit verbalen Drohungen zu kämpfen", so Erhardt. Dabei machen Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken etwa die Hälfte aller Fälle aus. "Aber auch im direkten Gespräch und auf Veranstaltungen rasten immer häufiger Bürger aus, drei von vier Betroffenen berichten uns über solch persönliche verbale Bedrohungen," fasst Christian Erhardt die Ergebnisse der Umfrage zusammen. Hassbotschaften verlassen somit immer häufiger die Anonymität der sozialen Medien und werden offen und persönlich an Mitarbeiter und Ehrenamtliche in der Kommune gerichtet.
Besonders in den Fokus gerückt sind Kontakte mit selbsternannten Reichsbürgern, also meist rechtsextremen Personen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen und Kommunen seit längerer Zeit mit Anfragen belästigen und die Verwaltungen lahmlegen wollen. In der KOMMUNAL-Umfrage gaben 65 Prozent aller Bürgermeister an, dass sie bereits Kontakt mit solchen Reichsbürgern hatten. In fast jedem dritten Rathaus wurden die oft bewaffneten Reichsbürger persönlich vorstellig. Besonders betroffen von dem Problem sind demnach Kommunen in den ostdeutschen Bundesländern. Hier liegt der Anteil bei 81 Prozent, in Brandenburg gar bei 90 Prozent aller Kommunen.
Zurückgegangen sind laut der Analyse die Zahl der Bedrohungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik der Kommunen. Bei der ersten Erhebung zum Thema im Jahr 2017 gaben 47 Prozent der Bürgermeister an, deshalb beschimpft oder beleidigt worden zu sein. In der aktuellen Erhebung sank der Wert leicht auf 41 Prozent. Auch hier liegen die Werte in den ostdeutschen Bundesländern weiter deutlich höher (52%) als in den westdeutschen Ländern (39 %). Erfreulich ist die Entwicklung in Bayern, wo mit 28 % vergleichsweise wenige Kommunen Bedrohungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik verzeichnen.
"Die Gefahr durch Rechtsextremisten ist nicht gebannt, ihre Erscheinungsform hat sich nur verändert. Die Hasswelle wegen der Flüchtlingspolitik der Kommunen legt sich, dafür treten immer mehr Reichsbürger in Erscheinung", fasst Christian Erhardt die Situation in den Rathäusern zusammen. Gleichzeitig erlebten Mitarbeiter und Ehrenamtliche, wie die Gewaltbereitschaft weiter steige. "Die verbale Radikalisierung hat einen Punkt erreicht, bei dem es einigen logisch erscheint, dass aus dem Sagbaren nun das Machbare, das Handeln folgt. Die Radikalisierung der sprachlichen Auseinandersetzung ist der Wegbereiter für körperliche Gewalt gegenüber Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, dürfte daher gerade bei Ehrenamtlichen weiter massiv sinken", fasst der KOMMUNAL-Chefredakteur die Stimmung in den Kommunen zusammen.
Erläuterung der Umfragezahlen:
Die Ergebnisse beruhen auf den Angaben von 1055 Bürgermeistern, die das Magazin KOMMUNAL in der Zeit vom 13. Bis 19. Juni 2019 befragt hat. Die Stichprobe von Bürgermeistern ist ein repräsentatives Abbild der Gesamtheit aller Bürgermeister (11.100) in Deutschland. Hintergrund: KOMMUAL ist Europas größtes Magazin für Bürgermeister, Kommunalpolitiker und leitende Verwaltungsmitarbeiter. Es erscheint in einer monatlichen Auflage von gut 100.000 Stück.
Quelle: KOMMUNAL (ots)