NDR Umfrage sieht keine klaren Mehrheiten für Hamburger Senat und fünf Parteien im Parlament
Archivmeldung vom 01.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittRund drei Wochen vor der Wahl in Hamburg zeichnen sich in der aktuellen politischen Stimmung keine klaren Mehrheiten für die nächste Bürgerschaft ab. Erstmals sieht es jedoch so aus, als könnten nach Niedersachsen und Hessen auch in Hamburg fünf Parteien den Sprung ins Parlament schaffen.
Nach der neuesten Umfrage des NDR könnte die CDU 41 Prozent der Stimmen auf sich vereinen (+1 Prozentpunkt im Vergleich zur letzten Erhebung Anfang Januar). Die SPD würde einen Wähleranteil von 33 Prozent erreichen (-2 Punkte). Die Grünen kämen derzeit auf 10 Prozent (-1) und müssen ebenfalls Verluste hinnehmen, während die Linke im selben Umfang auf 7 Prozent zulegt. Die FDP erreicht danach einen Stimmenanteil von 5 Prozent (+1) und hätte damit die Chance auf einen Einzug in die Hamburgische Bürgerschaft. CDU und FDP verzeichnen im Vergleich zur letzten Erhebung zwar jeweils ein leichtes Plus - für eine Mehrheit der beiden Parteien in der Hansestadt reicht dies jedoch nicht aus.
Wäre dies bereits das Ergebnis des Urnengangs, verlöre die CDU ihre absolute Mehrheit der Sitze. Neben einer Großen Koalition würden Schwarz-Grün und Dreier-Bündnisse über die notwendige Mandatsmehrheit verfügen. Allerdings sprachen sich nur 42 Prozent für einen CDU-geführten Senat nach der Bürgerschaftswahl am 24. Februar aus, aber 47 Prozent für einen SPD-geführten Senat. Im Vergleich zu Anfang Januar votieren nun weniger Bürger für eine dominierende Rolle der Christdemokraten (-4 Punkte), während der Wunsch nach einer SPD-geführten Regierung weitgehend stabil ist (-1 Punkt).
Mit der Leistung des gegenwärtigen CDU-Senats sind wie im Vormonat 7 Prozent der Befragten sehr zufrieden bzw. zufrieden (44 Prozent). Demgegenüber sind 33 Prozent weniger zufrieden bzw. gar nicht zufrieden (13 Prozent).
Bildung ist laut Umfrage drei Wochen vor dem Urnengang das entscheidende Thema. In der Problemwahrnehmung der Hamburger steht die Situation an Schulen und Universitäten (42 Prozent) an erster Stelle. Mit Abstand folgen die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt (31 Prozent) und die innere Sicherheit (30 Prozent) auf den Plätzen zwei und drei. Damit ist das Thema Bildung ähnlich wichtig wie vor der Bürgerschaftswahl 2004. Die Arbeitsmarktlage wird nicht mehr als so problematisch betrachtet wie noch vor vier Jahren. Das Thema Kriminalität, das in der Hansestadt bei den letzten Wahlen jeweils eine wichtige Rolle spielte, ist angesichts der bundesweiten Diskussionen um den richtigen Umgang mit gewaltbereiten Jugendlichen diesmal wichtiger als 2004, aber bei weitem nicht so dominant wie bei der Wahl 2001, als Ronald Schill mit seiner Partei Rechtsstaatlicher Offensive antrat. Rang vier der Agenda nimmt die Familienpolitik und Kinderbetreuung ein (19 Prozent). Die Frage sozialer Gerechtigkeit hingegen spielt laut Umfrage kaum eine Rolle (9 %).
Wichtig für die Wahlentscheidung der Bürger ist vor allem, welcher Partei sie die Lösung der dringendsten politischen Probleme am ehesten zutrauen. Bei den ökonomischen Themen vertrauen die Hamburger Bürger weit eher auf die CDU als auf die SPD: bei der Verbesserung der Wirtschaftslage (57 Prozent für die CDU gegenüber 19 Prozent für die SPD) und Beschäftigungssituation (47 : 27 Prozent), aber auch bei der inneren Sicherheit (48 : 23 Prozent). Beim aus Sicht der Bürger wichtigsten politischen Problem in Hamburg, der Schul- und Bildungspolitik, setzen die Hamburger allerdings eher auf die SPD. Hier ist die CDU im Vergleich zur Erhebung Anfang Januar hinter die SPD zurückgefallen (27 : 35 Prozent). Beim Einsatz für soziale Gerechtigkeit - einer klassischen Domäne der Sozialdemokraten - kann die SPD die CDU weiterhin deutlich distanzieren (45 : 19 Prozent).
Den Grünen gelingt mit ihren bildungspolitischen Konzepten (10 Prozent Zustimmung) sowie bei Fragen sozialer Gerechtigkeit (8 Prozent) eine Profilierung. Die derzeit nicht im Parlament vertretene FDP kann am ehesten mit ihrer Programmatik in der Wirtschaftspolitik (5 Prozent), sowie der Bildungspolitik und beim Thema Soziales (je 4 Prozent) punkten. Der Linken gelingt eine nennenswerte Profilierung lediglich bei der Schaffung sozialer Gerechtigkeit, wo ihr 7 Prozent der Hansestädter am meisten zutrauen.
Nach wie vor sehr beliebt ist der amtierende Erste Bürgermeister Ole von Beust von der CDU: Könnte man den Hamburger Bürgermeister direkt wählen, dann würden sich 50 Prozent für von Beust entscheiden, und nur 34 Prozent für seinen sozialdemokratischen Herausforderer Michael Naumann. Allerdings schmolz der Vorsprung des CDU-Amtsinhabers vor dem SPD-Wettbewerber gegenüber der Umfrage Anfang Januar von 18 auf 16 Punkte.
Eine sehr wichtige Rolle für den Ausgang der Bürgerschaftswahl wird der Wahlbeteiligung und damit der Mobilisierungsfähigkeit der Parteien zukommen. Derzeit zeigen sich etwa zwei Drittel (68 Prozent) der Hamburger am bevorstehenden Urnengang sehr stark (27 Prozent) oder stark (41 Prozent) interessiert. Vor vier Jahren lag das Interesse an der Wahl drei Wochen vorher mit 76 Prozent noch deutlich höher.
Bei der Hamburgischen Bürgerschaftswahl am 24. Februar kommt zum ersten Mal ein neues Wahlrecht zur Anwendung, bei dem jeder Wähler sechs Stimmen zu vergeben hat. Mit den fünf Wahlkreisstimmen werden Wahlkreislisten bzw. Wahlkreiskandidaten gewählt. Mit der "sechsten" Stimme wählt man eine gebundene Landesliste einer Partei. Rund drei Wochen vor dem Urnengang sieht sich lediglich ein Viertel der Hamburger (27 Prozent ) bereits ausreichend über das neue Wahlrecht informiert. Die große Mehrheit von 70 Prozent hat hingegen in Bezug auf die neuen Regelungen noch Informationsbedarf. Bei den Jungwählern von 18 bis 24 Jahren ist das Informationsdefizit am größten, doch auch bei den über 60-jährigen Wahlberechtigten ist nur rund jeder Dritte mit den neuen Abstimmungsmöglichkeiten vertraut.
Derzeit äußern drei von zehn (33 Prozent) die Absicht, ihre Stimmen bei der Bürgerschaftswahl auf verschiedene Parteien aufteilen zu wollen. Jeder Zweite (48 Prozent) beabsichtigt, alle Stimmen derselben Partei zu geben. Knapp jeder fünfte Wahlberechtigte ist sich noch nicht sicher, ob bzw. wie er die neuen Möglichkeiten des Wahlrechts nutzen wird.
Für die Umfrage befragte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap vom 29. bis zum 30. Januar 1000 zufällig ausgewählte wahlberechtigte Hamburgerinnen und Hamburger per Telefon. Die Fehlertoleranz schwankt zwischen 1,4 Prozentpunkten bei 5 Prozent Anteilswert und 3,1 Prozentpunkten (bei 50 Prozent Anteilswert,).
Quelle: Infratest dimap im Auftrag des NDR