DGB-Chefs erwarten weitere Korrekturen von SPD-Chef Beck und ein Abrücken vom harten Koalitions-Tabu mit der Linken
Archivmeldung vom 23.10.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDie SPD sollte aufhören, die Koalitionsfrage mit der Linkspartei "mit einem Tabu zu belegen". Der sächsische DGB-Vorsitzende Hanjo Lucassen riet der SPD, sich ein Beispiel an der Veränderung ihrer Positionen zum Arbeitslosengeld I zu nehmen. "Kurt Beck hat doch gezeigt, dass er auf dem richtigen Weg ist. Man muss dem Volk aufs Maul schauen. Die SPD muss sich bewegen und dort eingreifen, wo die Menschen der Schuh drückt."
Dazu sollten sich die Kräfte bündeln und "nicht gegeneinander stehen", sagte Lucassen in einem Gespräch mit der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag-Ausgabe). Der nordrhein-westfälische DGB-Chef Guntram Schneider meinte gegenüber der Zeitung: "Die SPD sollte lernen und zu der Linken niemals ,nie' sagen. Das wird wie bei den Grünen ablaufen: Mehrheiten, die sich bilden, wollen auch politisch verwirklicht werden."
Im Zusammenhang mit der Linkspartei müsse die SPD einfach sehen, dass die Regel gelte: "Konkurrenz belebt das Geschäft", sagte Lucassen. Immer mehr Bürger sehnten sich nach sozialer Sicherheit, die ihnen derzeit nicht garantiert werde. "Wir haben ihm bei unserem Treffen gesagt: Kurt, Kumpel, es muss Dich nicht wundern, wenn die SPD die Menschen mit ihren Problemen nicht abholt, dass sich die Leute auf der Linken einer neuen Partei zuwenden", sagte Lucassen.
Lucassen, der wie Schneider am 23. August zu dem Kreis der DGB-Vertreter gehörte, die bei einem Abendgespräch in der größten rheinhessischen Weingemeinde Bodenheim Beck "von Kumpel zu Kumpel gesagt haben, was draußen im Land los ist", zeigte sich äußerst zufrieden mit dem Gesprächsergebnis. "Beck ist ein bodenständiger Mensch, der einen handwerklichen Beruf erlernt und auch schon als Gewerkschaftsfunktionär gearbeitet hat. Er hat begriffen, dass man bei den Themen Arbeitslosengeld, Altersarmut und Kinderarmut etwas im Interesse der Menschen machen muss." Beim Arbeitslosengeld habe sich Beck "erfreulich bewegt", so Lucassen. Er sei sich sicher, dass auch bei der Bekämpfung der Kinder- und der Altersarmut die SPD mit Beck an der Spitze neuen Handlungsbedarf erkenne, um bisherige Ergebnisse der Reformpolitik zu korrigieren. "Gerade in Ostdeutschland drohe für viele ältere Arbeitslose angesichts gebrochener Erwerbsbiografien ein Absturz in die Altersarmut", warnte Lucassen.
Für den NRW-DGB-Chef Schneider kann die Kurskorrektur der SPD nicht mit einer neuen Position zum ALG I schon ihr Ende finden. "Wir brauchen eine Generalrevision der Hartz- und Arbeitsmarktgesetze." Dabei sollte es bei den Grundprinzipien bleiben, "aber auch Herr Müntefering sollte gemerkt haben, dass wir den Leuten sehr viel abgefordert, sie aber viel zu wenig gefördert haben". Der DGB-Chef mahnte insbesondere weitere Kurskorrekturen der SPD bei den Fragen der Anrechnung privater Vermögen und bei den Zumutbarkeitsregelungen für Arbeit an.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung