Linksfraktion greift Zentralrat der Armenier an: "Völlig ohne Augenmaß"
Archivmeldung vom 04.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Streit um den Bundestagsabgeordneten Hakki Keskin und dessen Haltung zum Völkermord 1915/16 im Osmanischen Reich geht die Linksfraktion jetzt auf Konfrontationskurs zum Zentralrat der Armenier in Deutschland.
Vizefraktionschef Bodo Ramelow warf dem
Zentralrat nach einem Bericht des "Tagesspiegels" (Freitag-Ausgabe)
vor, auf eine "sachliche Auseinandersetzung" zu verzichten, wenn im
Zusammenhang mit linken Abgeordneten von "Leugnern und Planern" des
Völkermordes gesprochen werde. "Das macht deutlich, dass die
getöteten Menschen - völlig ohne Augenmaß - noch einmal
instrumentalisiert werden sollen", erklärte Ramelow. Der
Fraktionsvize pochte auf Keskins "Meinungsfreiheit". Keskin hatte den
Völkermord an den Armeniern mehrfach angezweifelt.
Bevor sich der Vorstand der Bundestagsfraktion am Dienstag in
Bremen mit dem Thema befasst, erreichen die Auseinandersetzungen
zwischen dem Zentralrat der Armenier und der Linkspartei damit eine
neue Eskalationsstufe. Die Linksfraktion leugne nicht den Völkermord
an der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich, doch habe dieser
Genozid eine Vor- und Nachgeschichte. 1917 hätten armenische und
russische Truppen gemeinsam Rache für vorangegangene Gräueltaten
genommen, dabei seien mehrere zehntausend unschuldige Türken ums
Leben gekommen. "Die Ereignisse des gesamten Zeitraums müssen
objektiv, für beide Seiten nachvollziehbar geklärt werden", forderte
Ramelow. "Das geht nur gemeinsam." Der Zentralrat der Armenier aber
tabuisiere solche Versuche.
Ramelow kritisierte auch Versuche europäischer Parlamente, sich der Aufarbeitung des Themas "zu bemächtigen". 2005 hatte der Bundestag in einer Resolution die "organisierte Vertreibung und Vernichtung von Armeniern" verurteilt, auch die beiden PDS-Abgeordneten Petra Pau und Gesine Lötzsch hatten zugestimmt. Im Oktober 2006 stellte die französische Nationalversammlung die Leugnung des Völkermordes unter Strafe. Prinzipielle Leugnungsverbote würden nicht helfen, so Ramelow, stattdessen müssten Türken und Armenier "an einen Tisch, um die Grundlagen einer friedvollen Aufarbeitung zu schaffen".
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel