Der Publizist Detlef Kühn versteht viel vom DDR-Geheimdienst. Vor sieben Jahren veröffentlichte er in der Schriftenreihe des Berliner Stasi-Landesbeauftragten die Broschüre „Das Gesamtdeutsche Institut im Visier der Staatssicherheit“. Dabei schilderte er auch den Fall eines Inoffiziellen Mitarbeiters (IM) mit dem Decknamen „Konrad“. Damals konnte er den Klarnamen allerdings nicht ermitteln.
In einer Neuauflage, die in diesem Jahr veröffentlicht worden ist, kann Kühn nun die Person benennen. Der Vorgang ist brisant und inzwischen rotiert auch die Bundesregierung. Denn als IM „Konrad“ führte der DDR-Geheimdienst mit dem Westdeutschen Hermann-Josef Rodenbach einen einflussreichen Referatsleiter im Finanzministerium von Peer Steinbrück (SPD). Der jedoch bestreitet die Vorwürfe.
Publik wurde der Fall erst durch eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Christoph Waitz. Der FDP-Parlamentarier sagte WELT ONLINE, es gebe weitere Fälle. So habe er beispielsweise Kenntnis von einem mutmaßlichen Stasi-IM im Wirtschaftsministerium: „Es handelt sich um IM ‚Helene’“. Dazu habe seine Fraktion schon eine entsprechende Anfrage vorbereitet.Für Waitz ist es ein Skandal, dass sich die Bundesregierung nicht längst des Themas angenommen hat. „Die westdeutschen Stasi-Agenten, die noch immer unentdeckt in Bundesministerien und nachgeordneten Behörden beschäftigt sind, müssen enttarnt und auf Arbeitsplätze versetzt werden, wo sie keinen Einfluss mehr haben.“
Zu IM „Konrad“ wollte der Liberale von der Regierung wissen, ob ihr der Fall bekannt sei. Lapidare Antwort: „Ja“. Die Frage, ob der Sachverhalt auch Konsequenzen haben werde, ließ der zuständige Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) zunächst offen.
„Die Bundesregierung prüft, ob sich aus weiteren Erkenntnissen die Notwendigkeit einer neuen dienstrechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes ergibt“, erklärte der Kanzleramtsmitarbeiter. Weitergehende Angaben wollte Neumann aus „personaldatenrechtlichen Gründen“ nicht machen.
Der Ministerialbeamte Rodenbach hat gegenüber dem Autor Kühn energisch eine wissentliche Zusammenarbeit mit der Stasi bestritten. Er habe „lediglich über Jahre hinweg Kontakt mit einem vermeintlichen Mitarbeiter eines schwedischen Industrieverbands, der Stasi-Offizier war“, gehabt.
Im Rang eines Ministerialrats leitet Rodenbach für das Referat V B 1. Es ist zuständig für Offene Vermögensfragen, Entschädigungsfonds und Altforderungen. Zudem hat es die Rechts- und Fachaufsicht über das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen.
Rodenbach drohte, er werde sich „gegen jede Unterstellung, dass ich als IM für die ehemalige Stasi gearbeitet habe, mit allen rechtlichen Mitteln zu Wehr setzen.“ Der Stasi-Experte Kühn merkt dazu an, eine solche Unterstellung habe er auf den fünf Seiten, auf denen der Fall detailliert beschrieben ist, nicht vorgenommen: „Allerdings darf sich jeder Leser aus dem hier ausgebreiteten Material seine eigene Meinung bilden.“