Mehrwertsteuerausnahmen kosten fast 30 Milliarden Euro im Jahr
Archivmeldung vom 11.01.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie zahllosen Ausnahmen im Mehrwertsteuerrecht haben den deutschen Staat nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" im vergangenen Jahr rund 29 Milliarden Euro gekostet. Das geht aus den Antworten der Bundesregierung auf Fragen der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, die der SZ vorliegen.
Am stärksten schlugen demnach die Vergünstigungen für Nahrungsmittel zu Buche, die alleine 19,3 Milliarden Euro ausmachten. Dahinter folgten Bücher und Presseprodukte mit 2,6 Milliarden Euro.
Grund ist, dass es neben dem eigentlichen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent einen zweiten, reduzierten Satz von sieben Prozent gibt, der vor allem für Lebensmittel sowie kulturelle Angebote gilt. Dahinter steht der Gedanke, dass sich auch Geringverdiener Nahrungsmittel leisten, mit dem Bus fahren, Zeitung lesen und am kulturellen Leben teilnehmen können müssen. Allerdings ist der Ausnahmenkatalog über die Jahrzehnte immer dicker und komplexer geworden, was mittlerweile zu massiven Abgrenzungsproblemen führt: So werden Adventskränze aus Tannengrün anders besteuert als solche aus Plastik, und Menschen, die im Sitzen essen, zahlen mehr als die, die stehen. Die Grünen fordern deshalb, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Nahrungsmittel (ohne Außer-Haus-Umsätze der Gastronomie), den Öffentliche Personennahverkehr und kulturelle Leistungen zu beschränken und die Ausnahmebestimmungen etwa für Schnittblumen, Rollstühle, Kurbäder, kirchliche Einrichtungen, am Telefon bestellte Pizzen und vieles mehr zu streichen. Der Staat käme damit auf jährliche Mehreinnahmen in Höhe von sechs Milliarden Euro, die die Grünen für Investitionen in die Bildung und die Infrastruktur verwenden wollen.
"Wir haben derzeit eine einmalige Konstellation: Die Parteien der großen Koalition haben sich in der Vergangenheit für eine Reform ausgesprochen, und auch die große Mehrheit der Länder im Bundesrat ist dafür", sagte der Grünen-Finanzexperte Thomas Gambke der SZ. "Wenn wir diese Chance jetzt nicht nutzen, werden wir den Mehrwertsteuerdschungel niemals lichten."
Die Bundesregierung hingegen hält nicht nur am bestehenden Modell fest, sondern will den Ausnahmenkatalog sogar noch erweitern. So soll der verminderte Satz von sieben Prozent künftig auch für Hörbücher, per Download verbreitete Belletristik, Zeitungen und Zeitschriften sowie andere elektronische Informationsmedien gelten. Zudem werde man prüfen, "ob weitere Umsatzsteuererleichterungen für künstlerische Berufe möglich sind", heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Allein die Steuersenkung für Hörbücher würde laut Finanzministerium zu weiteren Einnahmeausfällen von 35 Millionen Euro im Jahr führen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur