Cem Özdemir zu 30 Jahre Solingen: Mein Vater überprüfte den Feuerlöscher
Archivmeldung vom 25.05.2023
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Freigeschaltet durch Mary SmithDer rassistische Brandanschlag von Solingen vor 30 Jahren hat seinerzeit auch die Familie von Grünen-Politiker Cem Özdemir tief verunsichert. Im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der heutige Bundeslandwirtschaftsminister: "Meine Eltern wollten danach, dass ich mich öffentlich zurückhalte, damit ich nicht selber zur Zielscheibe werde." Die Sorge sei groß gewesen, selbst Opfer eines rassistischen Angriffs zu werden. "Sie haben sich überlegt, ob man sich eine Strickleiter zulegt. Mein Vater hat immer geguckt, ob der Feuerlöscher noch funktioniert. Das waren Zustände, die man sich gar nicht vorstellen kann."
Bei dem Brandanschlag in Nordrhein-Westfalen am 29. Mai 1993 starben fünf Menschen. Zuvor war es bereits in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen oder Mölln zu rassistischen Übergriffen gekommen. Die Situation für Menschen mit Migrationshintergrund habe sich mittlerweile in Deutschland gebessert, sagte der Grünen-Politiker: "Die Mehrheit der Migrantinnen und Migranten hat ein großes Zutrauen in den Rechtsstaat und weiß, dass die Mehrheit in diesem Land nichts mit Rechtsradikalismus am Hut hat."
Özdemir verwies auch auf seine eigene Biografie: "Sie sehen beispielsweise einen Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland vor sich, dessen Vorfahren nicht schon in der Schlacht am Teutoburger Wald gegen die Römer gekämpft haben, sondern woanders herkommen." Seine Eltern waren in den 60er-Jahren aus der Türkei nach Deutschland eingewandert. Der Grünen-Politiker sagte: "In der Politik machen heute nicht mehr Migranten Migrationspolitik, sondern kümmern sich um Klimapolitik, um Sozialpolitik oder eben um Ernährung und Landwirtschaft und Politikerinnen und Politiker ohne Migrationsgeschichte um Migrationsthemen. Das ist genau das, worum es mir immer ging."
30 Jahre Solingen: Cem Özdemir fordert mehr Aufstiegschancen für Migrantenkinder
Zum 30. Jahrestag des rassistisches Brandanschlags von Solingen mit fünf Toten hat Grünen-Politiker Cem Özdemir mehr Bildungs- und Aufstiegschancen für Migrantenkinder gefordert. Im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der Bundeslandwirtschaftsminister: "Das Wichtigste wäre, dass die Gesellschaft durchlässiger wird." Es sei leider immer noch so, dass das Schicksal in der Schule durch das Elternhaus vorherbestimmt sei - das gelte nicht nur für Migrantenkinder, sondern auch für Arbeiterkinder ohne Migrationshintergrund. "Wenn deine Eltern keine Akademiker sind, ist die Wahrscheinlichkeit in Deutschland besonders hoch, dass du es auch nicht zur Akademikerin schaffst", sagte der Grünen-Politiker und fügte hinzu: "Das ist nicht nur unter humanitären Gesichtspunkten irrsinnig, sondern auch volkswirtschaftlich." Özdemir forderte: "Jedes Kind - egal aus welchem Land und aus welcher Herkunftsfamilie - sollte sein Potenzial maximal ausschöpfen können."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)