Kommunen drohen Verdi mit Privatisierungswelle
Archivmeldung vom 11.02.2014
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Freigeschaltet durch Doris OppertshäuserVor der Tarifrunde im öffentlichen Dienst haben die Kommunen die Gewerkschafen davor gewarnt, mit überzogenen Forderungen eine Privatisierungswelle zu provozieren. Insbesondere eine forcierte Anhebung der unteren Tarifgruppen werde unweigerlich zu einer Verlagerung von Aufgaben führen, sagte der Präsident der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Die Folge wäre ein Mehr an Ausgliederung und Privatisierung zum Beispiel bei der Müllabfuhr und im Nahverkehr", warnte Böhle.
Am Dienstag wollen die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes mit Verdi an der Spitze ihre Lohnforderung für die gut zwei Millionen Beschäftigte der Kommunen und des Bundes verkünden. Bereits früher hatte Verdi mehrfach sogenannte Sockelforderungen gestellt. In der Tarifrunde 2012 hatte sie eine Erhöhung um 6,5 Prozent, mindestens aber 200 Euro je Monat gefordert; dies entsprach für die unterste Entgeltgruppe mehr als 13 Prozent. Auch in diesem Jahr haben Gewerkschafter bereits entsprechende Absichten angedeutet. Böhle betonte in der F.A.Z., die Tariflöhne des öffentlichen Dienstes seien schon heute für einfachere Tätigkeiten erheblich höher als in vergleichbaren Bereichen der Privatwirtschaft. Bei der Müllabfuhr seien es 32 Prozent mehr als nach dem ebenfalls von Verdi geschlossenen Tarifvertrag für die private Entsorgungswirtschaft; im Nahverkehr mache das Tarifgefälle 25 Prozent aus. Da solche Leistungen ausgeschrieben werden müssten, hätten die Kommunen im Ernstfall gar keine Wahl. "Wer im öffentlichen Dienst Sockeltarifpolitik macht, nimmt sehenden Auges die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen durch Privatisierung in Kauf", warnte Böhle.
Auch der Städte- und Gemeindebund warnte entschieden vor "überzogenen" Tarifforderungen. Die Privatwirtschaft könne im Vergleich zum öffentlichen Dienst "stets höhere Abschlüsse akzeptieren, da sie in Krisenzeiten auch schneller entlassen oder Arbeitsplätze zu Niedriglöhnen anbieten kann", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der F.A.Z. Der Präsident des Deutschen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), zeigte sich ebenfalls besorgt. "Die Spielräume für Tariferhöhungen sind begrenzt", sagte er de F.A.Z. Ohne den Beschäftigten deshalb eine "Teilhabe am wirtschaftlichen Aufschwung" zu verwehren, müsse dies im Blick bleiben. Die sogenannten Kassenkredite, die insbesondere in den Etats schwächerer Kommunen eine besondere Rolle spielen, hätten einen Höchstwert von fast 50 Milliarden Euro erreicht. "Gleichzeitig ist das Niveau der kommunalen Investitionen alarmierend niedrig", warnte er.
Bundesregierung ruft Gewerkschaften zum Maßhalten auf
Die Bundesregierung ruft die Gewerkschaften in der aktuellen Tarifrunde zum Maßhalten auf. Zwar müsse sich "gute Arbeit lohnen und existenzsichernd" sein. Doch "andererseits müssen Produktivität und Lohnhöhe korrespondieren, damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten bleibt", heißt es im Jahreswirtschaftsbericht 2014, den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) heute offiziell vorstellt und der dem "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe) bereits vollständig vorliegt. Nachdem die Gewerkschaft Verdi am Dienstag für den öffentlichen Dienst eine "deutliche Reallohnsteigerung" von mehr als 3,5 Prozent gefordert hat, spricht sich Gabriel in dem Bericht damit gegen überzogene Lohnforderungen aus. Eine Position, die die im Jahr 2014 anstehenden Tarifverhandlungen für mehr als elf Millionen Beschäftigte verschärfen könnte.
Schließlich fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für die Druckindustrie und die Deutsche Telekom 5,5 Prozent mehr Lohn. Ein Plus, das auch die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) für ihre Angestellten durchsetzen will. Bei einer erwarteten Inflation von 1,5 Prozent würden Abschlüsse in dieser Höhe einen deutlichen Reallohnzuwachs bedeuten. Im Jahreswirtschaftsbericht mit dem Titel "Soziale Marktwirtschaft heute Impulse für Wachstum und Zusammenhalt" setzt Gabriel dagegen andere Akzente: Ihm geht es statt um höhere Löhne vor allem um eine Belebung des Arbeitsmarkts. "Die Bundesregierung wird die Ausgestaltung des Mindestlohns so vornehmen, dass möglichst keine Arbeitsplätze verlorengehen", heißt es in dem Bericht. Zudem plant der SPD-Chef, das Instrument der Leiharbeit zu optimieren und den Missbrauch von Werkverträgen zu verhindern. Das bedeutet: Die Wirtschaft muss nicht fürchten, dass sie die von Gewerkschaften und Teilen der SPD gescholtenen Instrumente komplett verliert. Gabriels neue Bescheidenheit findet sich auch in den Prognosen für das Lohnniveau wieder. Die Effektivlöhne in Deutschland insgesamt werden demnach 2014 um rund 2,7 Prozent steigen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur