Früherer Verfassungsrichter Grimm hat Bedenken gegen CSU-Forderungen zur EU-Reform
Archivmeldung vom 07.08.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.08.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm hält die CSU-Forderung, die Bundesregierung bei Verhandlungen in Brüssel gegebenenfalls an Stellungnahmen des Bundestages zu binden, für nicht praktikabel.
"Alles, was einem imperativen Mandat nahe käme, würde Deutschlands Gewicht auf europäischer Ebene schwächen", sagte Grimm dem "Tagesspiegel". Bei den derzeitigen Beratungen der Bundestags-Fraktionen über das so genannte Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag will die CSU erreichen, dass künftig Stellungnahmen des Parlamentes zur Europapolitik im Grundsatz für die Bundesregierung verbindlich sind. Grimm wandte allerdings ein: "In Europa verhandeln Staaten miteinander und versuchen ihren Interessen so weit wie möglich Geltung zu verschaffen. Wer hier keinen Verhandlungsspielraum hat, kann seine Interessen nicht wirksam vertreten." Auch die Forderung der CSU, die Zustimmung Deutschlands zum Lissabon-Vertrag nach dem Karlsruher Urteil vom Juni unter einen völkerrechtlichen Vorbehalt zu stellen, hält Grimm für nicht nachvollziehbar.
Das Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag muss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts überarbeitet werden. Grimm verteidigte die Karlsruher Richter gegen den Vorwurf, sie hätten in ihrem Urteil die europäische Einigung allzu sehr als Bedrohung dargestellt. "Dass die europäische Integration eine Chance ist und vom Grundgesetz ausdrücklich gewollt wird, steht nach dem Urteil außer Zweifel", sagte er. Das Verfassungsgericht habe aber Hürden für eine schleichende Aushöhlung der Staatlichkeit und für eine Einebnung der Vielfalt aufgestellt, "die Europas großer Reichtum ist". Daran müsse die EU "manchmal erinnert werden", sagte der ehemalige Verfassungsrichter weiter.
Quelle: Der Tagesspiegel