Beate Raudies: Gesetzentwurf führt zur Verschiebung der Probleme aber nicht zu deren Lösung
Archivmeldung vom 22.09.2017
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Freigeschaltet durch André OttDa liegt er nun auf dem Tisch, Ihr Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Allerdings nicht, wie in Ihrem 100-Tage-Programm versprochen, als Gesetzentwurf der Regierung, sondern als Fraktionsgesetz. Aber in kleinen Dingen wollen wir mal großzügig sein. Mit einer Abschaffung hat dieser Gesetzentwurf aber nicht viel zu tun...
Im Gegenteil: Sie wollen hier - kurz vor der Bundestagswahl - den Eindruck erwecken, die GrundstückseigentümerInnen von der ungeliebten Abgabe zu entlasten. Tatsächlich verschieben Sie allerdings nur die Verantwortung in die kommunalen Vertretungen. Und entgegen anders lautender Versprechungen vor der Landtagswahl erstatten Sie den Städten und Gemeinden nicht den Einnahmeausfall, der dem Verzicht folgt.
Dazu ist Ihr Gesetzentwurf auch noch handwerklicher Murks. Ich gebe zu, der Zusammenhang von Gemeindeordnung und Kommunalabgabengesetz ist nicht immer leicht zu verstehen. Aber hatten wir nicht erst im Frühjahr eine Anhörung zu dem Thema, in der alle angehörten Juristen auf diesen Zusammenhang hingewiesen haben? Da hätte es doch gereicht, die Anhörungsunterlagen aufmerksam zu lesen, oder ist das zu viel verlangt? In der letzten Legislaturperiode waren Sie ja immerhin in der Lage, Ihren Gesetzentwurf nach der Anhörung nachzubessern. Da bleibt ja noch ein bisschen Zeit...
Außerdem ist der Gesetzentwurf unvollständig - oder ist das vielleicht Absicht? Wille der Koalitionäre ist es doch, dass der Verzicht auf die Erhebung von Ausbaubeiträgen dabei nicht zu Nachteilen bei der Genehmigung des Kommunalhaushaltes oder der Mittelzuweisung durch das Land führen darf. Wieso findet sich dazu nichts in diesem Gesetzentwurf, sondern nur in der Begründung? Verbindlichkeit geht anders...
Viel schlimmer finde ich aber, dass der von Ihnen vollmundig versprochene finanzielle Ausgleich für die Kommunen, die auf Ausbaubeiträge verzichten wollen, auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben wird. "Ziel ist es, dass die Kommunen im Rahmen der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in die Lage versetzt werden, ihrer Verpflichtung zum Ausbau kommunaler Straßen nachzukommen", heißt es in Ihrem Koalitionsvertrag. Hört sich gut an? Dann darf ich daran erinnern, dass das Landesverfassungsgericht eine Frist zur Nachbesserung des Kommunalen Finanzausgleichs bis 2020 eingeräumt hat. Vor 2021 können Städte und Gemeinden da wohl kaum mit zusätzlichen Mitteln rechnen. Macht nix, kann man ja die Grundsteuer oder die Hundesteuer erhöhen...
Ebenso laden Sie die praktischen Probleme der Umsetzung bei den Kommunen ab. Wie soll eine Stadt, die seit Jahrzehnten Beiträge erhebt, mit der Freiwilligkeit umgehen? Selbst wenn ich dabei mal unterstelle, die Kommune verfüge über ausreichend Einnahmen, um alle erforderlichen Investitionen - also nicht nur in Straßen und Kanäle, sondern auch in Schulen, Sportanlagen, Kindertagesstätten oder Feuerwehrfahrzeuge zu finanzieren - wie gestaltet sich der Übergang? Müssen Beiträge zurückgezahlt werden? Für welchen Zeitraum? Was ist mit den Ablöseverträgen, die manche Kommunen bereits geschlossen haben?
Was ist mit den laufenden Ratenvereinbarungen oder den wiederkehrenden Beiträgen? Hierfür bietet ihr Gesetzentwurf nicht mal den Ansatz einer Lösung, das Ding ist mit "Katze im Sack" noch vornehm umschrieben...
Sie kippen diese Probleme den KommunalpolitikerInnen vor Ort vor die Füße, die sich neben der nebulösen Finanzierung auch noch mit den absehbaren Protesten der Zukurzgekommenen herumschlagen dürfen. Wenn das Ihr Beitrag zur Förderung des kommunalen Ehrenamtes ist, vielen Dank auch dafür.
Mein Fazit: Mal wieder führen Sie die Menschen hinter die Fichte und versprechen vollmundig Entlastungen. Die Umsetzung des Versprechens überlassen sie dann anderen, nämlich den ehrenamtlichen KommunalpolitikerInnen.
Und Sie wissen ganz genau, welche Auseinandersetzungen in den Kommunen künftig bevorstehen. Nicht umsonst formulierte der MP in seiner Regierungserklärung: "Wir geben Kompetenzen an die Kommunen zurück in der Erwartung, dass die Kommunen die Spielräume, die wir ihnen geben, nutzen - im Angenehmen wie im Schwierigen." Richtig peinlich finde ich allerdings die Äußerung der Stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden Anita Klahn.
In der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung vom 20.September wird Frau Klahn wie folgt zitiert: "Damit (mit dem GE) tragen wir dem Wunsch vieler Bürger Rechnung, die mit ihrer Petition - unterschrieben von 20.000 Menschen - auf die Reform gedrängt haben." Zur Erinnerung: Mit der Petition wurde die völlige Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und die Finanzierung der Straßenausbauten aus Steuermitteln gefordert.
Die Koalition begründet ihren Änderungsantrag auch damit, dass sie den Kommunen mehr Gestaltungsfreiheit einräumen möchte. Aber wie sagte die Kollegin Ines Strehlau doch so schön im August 2012 in der Debatte zur Änderung des KAG? "Was Sie mit ihren Gesetzen erreichen, ist Freiheit vorwiegend für wohlhabende Kommunen. Das Ganze geht aber zu Lasten der Schwächeren. Das ist nicht unsere Vorstellung von Gerechtigkeit in der kommunalen Familie." Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Quelle: SPD-Landtagsfraktion SH (ots)