Steinbrück warnt Koalition vor Rückfall in alte Verteilungsmentalität
Archivmeldung vom 03.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, hat seine Partei zum Kampf um die politische Mitte aufgerufen, sollte sie bestimmenden Regierungseinfluss auch in Zukunft anstreben.
Dazu gehöre "auch
wieder mehr Selbstbewusstsein", dass "unter keinen Umständen" der
Konsolidierungskurs geändert werden dürfe und die Arbeit der großen
Koalition nicht durch "nickelige" Kritik gestört werden dürfe, meinte
Steinbrück in einem Gespräch mit der "Leipziger Volkszeitung". Zugleich verband er die Aufforderung zur
Fortführung des Konsolidierungskurses mit seinem weiteren Verbleib im
Ministerium. "Wenn jemand glaubt, die Schleusen könnten wieder
geöffnet werden", der irre sich gewaltig. Der Finanzminister warnte
in diesem Zusammenhang vor einem "dramatischen Kompetenzeinbruch",
sollte die Regierung wieder zur altbekannten Verteilungs-Politik
übergehen. "Mit mir geht das nicht", stellte Steinbrück klar.
Im Vorfeld der Sitzung des Koalitionsausschusses am Sonntag riet
Steinbrück seiner SPD und der Koalition im Allgemeinen, keinesfalls
wieder in alte Verteil-Mentalitäten zurückzufallen. Man müsse sich
vor der Wirkung einer alten Verhetzungsstrategie der anderen
schützen, wonach die Sozis eben nicht mit Geld umgehen könnten. Das
werde, 2009, ganz sicher ein zentrales Thema werden. Auch deshalb sei
es so wichtig, dass "unter keinen Umständen" am Konsolidierungskurs,
für den er stehe, gerüttelt werde. Aufgrund des in Hamburg getankten
neuen Selbstbewusstseins der SPD, inklusive teilerneuerter
Beschlusslagen, erwartet Steinbrück keine besonderen Schwierigkeiten
für das zukünftige Regierungsgeschäft mit der Union. Gerade auch eine
Unions-Kanzlerin müsse "im eigenen Interesse sich einen starken
Koalitionspartner an der Seite wünschen". Ein dauerhaft geschwächter
Koalitionspartner werde auf Dauer "eher unkalkulierbar".
Die SPD selbst werde ganz gewiss nicht in den nächsten zwei Jahren
"nickelig" versuchen, der Union Schwierigkeiten in der Regierung zu
machen. "Nörgler mögen die Leute nicht." Steinbrück zeigte sich
einerseits durchaus beeindruckt von der "hochgradigen
Bewegungsfähigkeit", die Angela Merkel in ihrer bisherigen Zeit als
Regierungschefin in der großen Koalition entwickelt habe. "Das kann
aber dazu führen, dass die Standpunkt-Festigkeit verloren geht",
meinte der Politiker kritisch.
Angesichts der Debatte um einen angeblichen Linksruck der SPD riet
Steinbrück seiner Partei, sich auf ein altes Erfolgsmotto von Gerhard
Schröder zu besinnen. Will die SPD bestimmenden Regierungseinfluss
bewahren und wieder den Kanzler stellen, dann "muss sie Wirkungskraft
über die klassische SPD-Wählerschaft hinaus beweisen". Für ihn gelte
der alte Schröder-Leitsatz: "Wahlen werden in der Mitte entschieden."
Dazu gehört für die SPD, will sie damit erfolgreich sein, "auch
wieder mehr Selbstbewusstsein". Man müsse "Stehvermögen" auch
ungeachtet möglicher schlechter Demoskopiewerte beweisen. Das zahle
sich aus - in der Politik und bei den Bürgern. Man dürfe nicht jedes
halbe Jahr Beschlüsse umwerfen, das schüre bei den Bürgern die
allgemeine Verunsicherung. Jetzt gehe es darum, ob sich seine Partei
als strategisch und kommunikativ fähig genug erweise. Manche suchten
eben sehr die soziale Wärme, während andere sich "mit den harschen
Realitäten" der politischen Wirklichkeit abrackern müssten.
Das Gesamtergebnis des Hamburger SPD-Parteitages sei für ihn nur "ein Schritt hin zu einer gefestigteren SPD". Steinbrück ließ erkennen, dass er zukünftig "noch mehr Spaß" an eigener sozialdemokratischer Profilierung haben werde. Bei der Aufgabenzuschreibung der neuen engsten Parteispitze sollte es auch darum gehen, dass "über die eigene Fachthematik hinaus" politische Felder von den einzelnen Führungsgenossen bewusst besetzt werden.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung