Ex-SPD-Chef Schröder ruft Partei zu "Respekt" für die Beschäftigten auf
Archivmeldung vom 31.12.2019
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Freigeschaltet durch André OttGerhard Schröder erklärt sein Beharren auf Sanktionen bei Hartz IV auch mit Erfahrungen seiner Kindheit. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der frühere Bundeskanzler, seine Familie habe lange Zeit von Sozialhilfe gelebt. "Uns ging es in dem Sinne gut, dass wir genug zu essen hatten. Fleisch gab es zwar nur am Sonntag, und dann Pferdefleisch, weil es billiger war", erzählte der ehemalige SPD-Vorsitzende.
Für jeden Extrawunsch aber habe man sich anstrengen müssen, auch als Kind. "Wenn wir etwas Taschengeld wollten, konnten wir beim Bauern arbeiten und bei der Ernte oder beim Verziehen der Rüben helfen und uns dann etwas kaufen." Dies habe seiner Entwicklung nicht geschadet, und: "Das prägt natürlich ein Verständnis von Leistung, das man hat, und Sie haben recht, ich sage auch vor dem Hintergrund meines eigenen Lebensweges: Sollte es nicht auch heute eine Selbstverständlichkeit sein mitzuwirken, wenn man staatliche Hilfen erhält?"
Schröder riet seiner Partei aber auch aus anderem Grund dringend, den verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen bei Sanktionen gegen Arbeitslose bei Verstößen gegenüber dem Jobcenter auszuschöpfen. "Die SPD muss darüber nachdenken: Wie kommt das bei denjenigen an, die jeden Morgen zur Arbeit gehen, in der Verwaltung, im Laden oder in der Fabrik? Sie können nicht zu spät kommen oder gar nicht erscheinen, ohne dass ihnen daraus Konsequenzen drohen, bis hin zur Entlassung." Es sei wichtig, nicht "die Lebenswirklichkeit der Menschen zu verfehlen, die eigene Leistungen erbringen, um für sich selbst und ihre Familien zu sorgen und die mit ihren Steuern und Abgaben das soziale Sicherungssystem finanzieren".
Bedürftige nicht zu fördern, ohne zu fordern, sei eine Frage des "Respekts, den man arbeitenden Menschen gegenüber erbringen sollte", fasste Schröder seine Haltung zusammen. Der frühere SPD-Chef stellte klar, dass er sich weiterhin als überzeugten Sozialdemokraten sehe, auch wenn er mit der neuen Parteiführung fremdele. "Ich bin deswegen Sozialdemokrat - und werde es, nebenbei bemerkt, auch bleiben -, weil ich an die stabilisierende Funktion der SPD für eine soziale Demokratie glaube." Die beiden neuen Vorsitzenden kenne er nicht gut und würde "nie so weit gehen, sie öffentlich zu kritisieren - anders als sie es umgekehrt mir gegenüber gemacht haben". Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hätten eine Chance verdient; er jedenfalls sei bereit, ihnen diese zu geben.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)