Linkspartei Fraktion entzweit sich wegen Verlauf der Bundespräsidentenwahl
Archivmeldung vom 08.07.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn der Fraktionssitzung der Linkspartei am Dienstagabend hat es Streit um die Kür des Bundespräsidenten gegeben. Das berichtet die in Halle erscheinende "Mitteldeutsche Zeitung" unter Berufung auf Teilnehmer. Der Streit galt demnach weniger der Entscheidung, mit Luc Jochimsen eine eigene Kandidatin aufzustellen, sie vor dem dritten Wahlgang zurückzuziehen und sich zu enthalten.
Er galt vielmehr dem Verlauf der Versammlung aufseiten der Partei. Dabei wurde dem Vernehmen nach "Klartext geredet". Moniert wurde unter anderem ein "Klima der Denunziation" denjenigen gegenüber, die vor der Bundesversammlung gewisse Sympathien für den Kandidaten von SPD und Grünen, den früheren DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, hatten erkennen lassen. Ein weiterer Kritikpunkt waren Äußerungen des Fraktionsmitglieds Dieter Dehm, der Gauck und den neuen Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) mit Hitler und Stalin verglichen hatte. Missmut wurde schließlich wegen der Rolle Oskar Lafontaines laut. Der frühere Parteichef hat offiziell keine herausgehobene Funktion mehr, war aber an den Verhandlungen mit SPD und Grünen vor dem dritten Wahlgang maßgeblich beteiligt. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende Roland Claus sagte der MZ: "Meine Führung hatte keinen Plan." Dies gelte für Partei- und Fraktionsführung gleichermaßen. Sie hätten vorher "keine Wenn-Dann-Situation durchgespielt" und nicht überlegt, was sie tun würden, wenn Wulff im ersten und zweiten Wahlgang die notwendigen Stimmen fehlen sollten. "Das war das Problem." Die Fraktionssitzung dauerte viereinhalb Stunden. In der Regel ist sie nur halb so lang. Die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, stellte sich unterdessen gegenüber der "Mitteldeutschen Zeitung" vor Lafontaine: "Oskar Lafontaine ist ein prominentes Mitglied unserer Partei. Es wäre albern, wenn wir so tun würden, als wäre er bei uns ein Hinterbänkler. Natürlich hat Herr Lafontaine seine Position zum Ausdruck gebracht, als wir in die Gespräche mit den Spitzen der anderen Parteien gegangen sind. Doch er hatte keine Zügel in der Hand, weil wir gar keine Zügel brauchten: Wir waren uns einig."
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung