Bundesregierung will Gehälter von 36 Millionen Arbeitnehmern zentral speichern
Archivmeldung vom 06.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Landesdatenschützer laufen Sturm gegen ein geplantes neues Mega-Datensammel-Projekt der schwarz-roten Bundesregierung, bei dem alle Gehälter von 36 Millionen Arbeitnehmern und Beamten zentral gespeichert werden.
Arbeitgeber sollen künftig laut Gesetzentwurf "Elektronischer
Einkommensnachweis (ELENA)" statt schriftlicher Einkommensnachweise
alle Sozial- und Lohndaten elektronisch einer Würzburger
Zentraldatei melden: Urlaubsgeld, Überstunden, Zahl der
Arbeitsstunden, einbehaltene Pfändungsbeträge, das vereinbarte
Arbeitsentgelt und Zuschläge. Bei jedem Antrag eines Bürgers auf
staatliche Hilfe, etwa auf Arbeitslosengeld, Kindergeld oder
Erziehungsgeld sollen die Sozialbehörden und Gerichte die Daten
abrufen - die Regierung rechnet mit 20 Millionen Anfragen pro Jahr.
Jeder Abfrage muss der betroffene Bürger zustimmen.
Mit ELENA will das Bundeswirtschaftsministerium den Ämtern und
Arbeitgebern Bürokratiekosten ersparen. Bezahlen sollen die
Abfragekosten die Hilfe suchenden Bürger allerdings selbst: Zehn Euro
kostet dies laut Gesetzentwurf für drei Jahre. Gespeichert werden die
Daten "bis zu 80 Jahre nach der Geburt".
Die Datenschützer allerdings sehen die Persönlichkeitsrechte der
Bürger durch die Massendatei erheblich verletzt. "Das Projekt ELENA
sollte beerdigt werden, da es verfassungsrechtlich äußerst bedenklich
ist", sagte die NRW-Datenschutzbeauftragte Bettina Sokol der WAZ.
"Das vorsorgliche Speichern der Einkommensdaten aller abhängig
Beschäftigten für Zwecke der Sozialverwaltung ist unverhältnismäßig,
da die meisten Daten gar nicht benötigt werden." Zudem sei damit zu
rechnen, dass "bei einer solchen auf Vorrat angelegten Datenbank sehr
bald auch weitere staatliche Stellen für ganz andere Zwecke zugreifen
wollen".
Geplant ist der Zugriff im Gesetzentwurf, der im Herbst
verabschiedet werden soll, schon für Richter, die über
Prozesskostenhilfe oder Unterhaltsstreitigkeiten im Scheidungsfall zu
entscheiden haben. Die Datenschützer befürchten aber, dass die
Einkommensdaten bald auch von Finanzämtern, von Schul- und
Jugendämtern für die Berechnung der Kindergartengebühr oder von
Richtern für die Bemessung der Strafzahlung verlangt werden.
Ausdrücklich verboten ist im Entwurf nur, dass Arbeitgeber von
Bewerbern den Abruf seiner Jobgeschichte verlangen, und dass Banken
mit Hilfe der Einkommensdaten die Kreditwürdigkeit überprüfen.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung