Genscher: "Die Kraft zu sagen, es geht nicht mehr."
Archivmeldung vom 13.06.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher rät den Partnern der Großen Koalition, angesichts der anhaltenden Krise eine Trennung in Betracht zu ziehen: "Regierungsverantwortung ist schwer. Ihr gerecht zu werden, heißt auch, die Kraft zu finden zu einem klaren Wort. Auch zu dem schweren Wort 'Es geht nicht mehr'. Nicht leichtfertig, sondern in Verantwortung für das Land."
In einem Beitrag für die Wochenzeitschrift VANITY FAIR zieht er
Parallelen zu seiner Zeit als Bundesminister, in der er mithalf, die
sozialliberale Koalition zugunsten einer zwischen FDP und CDU zu
beenden. Genscher: "Regierungsverantwortung bedeutet, auch dafür
verantwortlich zu sein, dass wirklich regiert wird. Mit dem Hinweis
auf den Partner ist dem Land nicht geholfen. Walter Scheel und ich
haben vor solchen Entscheidungen gestanden - 1966 und 1982. Wir
wissen, wie schwer das ist."
Einen letzten Scheideweg sieht Genscher im Herbst: "Im November
2007, zur Halbzeit, kommt die Stunde der Wahrheit. Dann gibt es nur
zwei Möglichkeiten: ein an der Sache orientiertes Regierungsprogramm
für die nächsten zwei Jahre oder das ehrliche: Es geht nicht mehr."
Grundsätzlich hält er, angesichts der aktuellen Erfahrung, große
Koalitionen für wenig effizient: "Der Traum, dass große Mehrheiten
große Entscheidungen bedeuten, ist schon zum zweiten Mal ausgeträumt.
Die Grundentscheidungen der deutschen Nachkriegsgeschichte: für die
soziale Marktwirtschaft, für die NATO und damit für die
West-Integration, für die Ost-, Entspannungs- und KSZE-Politik und
damit für die europäische Einheit, wurden mit den denkbar knappsten
Mehrheiten getroffen. Das verlangte wirklich Mut."
Quelle: Pressemitteilung VANITY FAIR