CDU-Wirtschaftsexperte stellt Rente mit 63 und Mindestlohn infrage
Archivmeldung vom 15.10.2014
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Freigeschaltet durch Dennis WitteDer wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), hat sich dafür ausgesprochen, Projekte wie den Mindestlohn oder die Rente mit 63 zu überdenken. Es zeige sich nun, dass die Rente mit 63 oder der Mindestlohn "nicht dazu beitragen, den Wirtschaftsmotor anzukurbeln, sondern Wachstumsbremser sind und Hunderttausende Arbeitsplätze kosten", sagte Pfeiffer dem "Handelsblatt" (Online-Ausgabe).
"Maßnahmen, die die deutsche Wirtschaft unnötig belasten, müssen mit aller Kraft vermieden werden." Entsprechend müssten die geplanten Regelungen zur Frauenquote, zum Gesetz zur "besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf" oder das Anti-Stress-Gesetz auf den Prüfstand. "Angesichts der gedämpften Wachstumsprognosen können wir bei den Ausgaben nicht einfach so weitermachen und mit dem Füllhorn übers Land ziehen", warnte Pfeiffer.
"Es ist an der Zeit, reine Wohlfühlprogramme zu überdenken oder zumindest zu verschieben." Die deutsche Wirtschaft, vor allem der Mittelstand, dürften nicht mit weiterer Bürokratie belastet werden. "Das wäre ein wichtiges Zeichen zur Stabilisierung und zum Mut machen. Denn bekanntlich ist laut Ludwig Erhard Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie." Abgesehen davon müsse man einsehen, dass die deutsche Wirtschaft trotz der wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre "nicht immun gegen internationale Krisen und die zögerliche Wirtschaftsentwicklung im Euro-Raum" sei.
Deutschland brauche eine Agenda 2030 für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. "Zu den zentralen Aufgaben gehört hierbei die Belebung der Investitionstätigkeit, beispielsweise durch steuerliche Maßnahmen wie die Abschreibungen für energetische Gebäudesanierungen sowie den weiteren Abbau von Bürokratie und der kalten Progression", schlug der CDU-Politiker vor. Auch die hohen Energiepreise seien eine Gefahr für den Industriestandort.
Daher gelte es, mit weiteren Reformen der Förderung der erneuerbaren Energien voranzugehen. Nötig sei zudem die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta, die die EU derzeit verhandelt, zügig abzuschließen. "Denn Deutschland braucht den Freihandel, ohne ihn wäre unser Wirtschafts- und Sozialmodell nicht denkbar." Pfeiffer betonte allerdings auch, dass bei allen politischen Vorhaben ein ausgeglichener Haushalt, die sogenannte schwarze Null, "absoluten Vorrang" habe. "Konsolidieren und Wachsen sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille", sagte der CDU-Politiker. "Nur mit Wachstum kann die Haushaltskonsolidierung gelingen."
Grosse-Brömer lehnt ein Verschieben der Rente mit 63 ab
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, erteilt Forderungen aus den eigenen Reihen nach einem Verschieben der Rente mit 63 eine Absage: "Was Herr Ramsauer leider übersieht ist, dass Union und SPD im Koalitionsvertrag die Rente mit 63 festgeschrieben haben. Die Union wird sich immer koalitionstreu verhalten", sagte Grosse-Brömer der "Welt".
"Deshalb steht ein Verschieben der Rente mit 63 nicht zur Debatte." Zuvor hatte der CSU-Politiker Peter Raumsauer vorgeschlagen, die Rente mit 63 und die Frauenquote auszusetzen. Ramsauer hatte im "Deutschlandfunk" Maßnahmen angeführt, die die Wirtschaft richtig anschieben würden, ohne, dass große Investitionsprogramme aufgenommen werden müssten: "Etwa das Aufschieben oder Aussetzen des Mindestlohns, der Rente mit 63 und statt dessen Absenkung von Beitragsbelastungen. Wir bräuchten nur eine Reihe von Exportverboten aufzuheben."
IZA-Direktor: Mindestlohn und Rente mit 63 Gift für Wachstum
Nach Einschätzung des Direktors des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Klaus Zimmermann, könnte sich die Wirtschaftsflaute in Deutschland mit dem Mindestlohn und der Rente mit 63 noch deutlich verschärfen. "Das Gros der im Wesentlichen sozialpolitisch begründeten Maßnahmen sind dazu geeignet, die Wirtschaft teilweise erheblich zu belasten", sagte Zimmermann dem "Handelsblatt" (Online-Ausgabe).
"Von Anfang an fragwürdige Projekte wie Mindestlohn und Rente mit 63 sind gerade in dem sich abzeichnenden gesamtwirtschaftlichen Umfeld für unser Land hochriskante Experimente und insbesondere Gift für weiteres Wachstum und Vollbeschäftigung." Die jüngsten Konjunkturprognosen müssten daher für die Große Koalition "ein eindringlicher Weckruf" sein. "Die Party der populistischen Spendierhosen muss spätestens jetzt durch eine nachhaltige wachstums- und beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik ersetzt werden." Zimmermann wies auf Berechnungen seines Instituts hin, wonach wegen der Einführung des Mindestlohns "wahrscheinlich viele 100.000 Menschen mittelfristig ihre Arbeit verlieren" könnten.
Betroffen seien davon vor allem Frauen, Geringqualifizierte und Ostdeutsche. "Darum fordere ich die Bundesregierung auf, derartige Vorhaben zuerst sorgfältig auf ihre Wirkungen zu evaluieren und wissenschaftlich in Bezug auf Risiken und Nebenwirkungen begleiten zu lassen, bevor irreparable Schäden eintreten." Das Projekt Mindestlohn sei "ganz offensichtlich mit zu heißer Nadel gestrickt" worden, ohne die Folgen zu bedenken. Auch die "Rente mit 63", die bereits seit 1. Juli gilt, sei "beschäftigungspolitisch das völlig falsche Signal und kommt uns angesichts der demografischen Veränderungen noch sehr teuer zu stehen", warnte Zimmermann.
"Deshalb brauchen wir auch in der Rentenpolitik eine grundlegende Kurskorrektur, die Älteren die Chance eröffnet, länger am Erwerbsleben teilzunehmen." Dazu bleibe die Koalition bisher ein Konzept schuldig. Der Konjunkturexperte Oliver Holtemöller, dessen Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) das Herbstgutachten für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit verfasst hat, regte Korrekturen am Mindestlohn an, um das langfristige Wirtschaftswachstum zu stärken. Die Koalition könne hierfür den Mechanismus zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns ändern und sich dabei an Großbritannien orientieren, sagte Holtemöller dem "Handelsblatt" (Online-Ausgabe).
"Der aktuell vorgesehene Mechanismus ist geradezu darauf angelegt, übermäßige Anhebungen zu provozieren und die Ausgrenzung von Geringqualifizierten vom Arbeitsmarkt zu forcieren", warnte der Ökonom. Beschäftigungshemmnisse ließen sich auch abbauen, indem die Abgabenbelastung, etwa bei der Rentenversicherung oder der kalten Progression, reduziert werde.
Quelle: dts Nachrichtenagentur