Machiavelli für Doofe
Archivmeldung vom 01.06.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.06.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Michael DahlkeFrankreichs Präsident ändert die Regierung damit alles weitergeht wie bisher rbi-aktuell, berichtet
Das französische Wahlvolk geruhte, anders zu entscheiden und der Präsident geruhte deshalb seinen Premierminister zu opfern. Der hatte aber offensichtlich auch gar nichts dagegen, denn er wußte genau, daß er eigentlich seit Monaten nur deshalb noch nicht entlassen worden war, weil Präsident Jacques Chirac einen brauchte, den er nach der absehbaren Niederlage im Verfassungsreferendum opfern könnte ohne dabei einen neuen verschleißen zu müssen, denn Frankreichs Elite ist in letzter Zeit personell stark ausgeblutet und seinem Partei“freund“ Nicolas Sarkozy gönnte der Präsident eher einen längeren Aufenthalt auf der Teufelsinsel Cayenne als ein Regierungsamt, das er nun freilich kaum noch wird vermeiden können. Jean Pierre Raffarin war seit langem ein politisch toter Mann. Richtig populär hatte er ohnehin nie werden können, denn das war nicht seine Aufgabe. Im Franreich des Jacques Chirac hat nämlich grundsätzlich nur einer zu entscheiden – der Präsident – womit alle zwischenzeitlichen Irritationen, wie sie allmählich nach dem Abgang des Staatsgründers der V. Republik Charles de Gaulle aufgetreten waren, glücklich wieder beendet sind und die Verfassungswirklichkeit wieder dort ist, wo sie zu Zeiten des Generals war. Raffarin , als Nicht-Absolvent der Elite Hochschule ohnehin immer ein Außenseiter, fügte sich klaglos und ohne erkennbaren Widerstand in seine Rolle, baute den Sozialstaat ab und förderte die EU, auch die Giscard-Verfassung und steckte brav die Prügel ein. Man kann vermuten, daß der neue Mann, Dominique Galouzeau de Villepin – um nur die Kurzform seines etwas längeren Adelsnamens zu nennen – es dem angeschlagenen Präsidenten, dessen Macht allmählich ausrinnt, nicht so leicht machen wird.
Zuvor war über die
Nachfolge spekuliert worden. Da war der gaullistische Gottseibeiuns
Nicolas Sarkozy, den Chirac nun als Innenminister und gleichzeitigem
Parteichef der UMP (Union pour la majorite du peuple) erdulden muß,
genannt worden und Michele Alliot-Marie, die resolute
Verteidigungsministerin. Warum Villepin befördert wurde, kann man
nur vermuten, vermutlich weil der Karrierediplomat, der immer nur über
Beförderungen weiter kam und sich nie einer Wahl stellen mußte, keine
Hausmacht in der UMP hat, allenfalls respektiert, nicht aber beliebt
ist, zur Zeit noch am wenigsten gefährlich ist für Chirac. Doch
politisches Profil hat Villepin, der schon ein Buch über Napoleon
geschrieben hat, durchaus. Er profilierte sich als einer der schärfsten
Kritiker des US-Angriffs auf den Irak und gilt als Vertreter der
schwindenden französischen Großmachtambitionen. Das könnte Chiracs
Vermächtnis sein. Doch Villepin ist auch in dem Sinne ein Adliger, als
ihm jede Nähe zum Volk fehlt. Er gilt außerdem nicht gerade als Freund
der Detailarbeit und des Aktenstudiums. Rhetorisch glänzende Auftritte
auf sehr hohem Abstraktionsniveau liegen ihm mehr. Das könnte seine
Schwäche sein, denn Sarkozy wird versuchen, ihn auszustechen und
Sarkozy steht für eine konsequente neoliberale Orientierung, wie man
sie so in Frankreich noch nicht gesehen hat. Diese Entscheidung wird
jetzt im Auslauf der Ära Chirac anstehen.
Objektiv könnte man
sagen, eigentlich hat das Französische Volk ja von beiden nicht viel
Gutes zu erwarten, aber was kommt dann. Die französische Linke wähnt
sich nach dem Referendum in der Offensive, aber das ist zweifelhaft,
denn an diesem „Sieg“ haben auch Jean Marie und Marine Le Pen ihren
Anteil. Und es war letztlich nur ein defensiver Sieg. Positiv sind die
„Kommunisten“ des PCF, die diversen Trotzkisten und der linke Flügel
des Establishments, der jetzt für „Non“ agitierte, genauso schwach wie
vorher. Darin liegt das Problem.
Quelle: http://www.rbi-aktuell.de