Verfassungsrichter: Basisentscheide über laufendes Regierungsgeschäft möglich
Archivmeldung vom 16.12.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtNach der Zustimmung der SPD-Basis zur großen Koalition hat der Verfassungsrichter Peter Müller deutlich gemacht, dass er Mitgliederentscheidungen auch über Fragen des laufenden Regierungsgeschäfts für möglich hält. "Rechtlich sind Fragen der innerparteilichen Willensbildung für die Wahrnehmung des Abgeordnetenmandats ohne Relevanz", sagte Müller der "Welt am Sonntag" auf die Frage, ob die SPD-Mitglieder auch über das nächste Hilfspaket für Griechenland abstimmen könnten. "Jeder Abgeordnete des Bundestages bleibt völlig frei in seiner Entscheidung."
Auch bei der Kanzlerwahl sei er nicht an den Ausgang eines Mitgliedervotums gebunden. Die SPD-Mitglieder hatten mit 76 Prozent für den Koalitionsvertrag mit der Union votiert. Auch über die rechtliche Bewertung hinaus sehe er das Verfahren als unproblematisch an, betonte Müller. "Parteien wirken an der politischen Willensbildung des Volkes mit. Wie sie ihre Meinungsbildungsprozesse intern organisieren, bleibt ihnen selbst überlassen."
Der frühere saarländische Ministerpräsident hält es grundsätzlich für denkbar, mehr Möglichkeiten für Volksentscheide auf Bundesebene zu schaffen, wie dies beispielsweise von der CSU für europapolitische Fragen gefordert wird. "Ich sehe nicht, dass der Gesetzgeber an einer entsprechenden Verfassungsänderung gehindert wäre", sagte der frühere saarländische Ministerpräsident.
Die Väter des Grundgesetzes hätten befürchtet, Volksabstimmungen könnten "in emotional aufgeheizten Situationen missbraucht werden", so Müller. Inzwischen gebe es allerdings "gut funktionierende Demokratien, die in ihren Verfassungsordnungen ein höheres Maß an plebiszitären Entscheidungen vorsehen".
Umfrage: Mehrheit der Deutschen wünscht sich mehr Basisentscheide
Eine Mehrheit der Deutschen wünscht sich, dass nach dem Vorbild der SPD auch in anderen Parteien vor einer Regierungsbildung künftig die Mitglieder entscheiden sollen. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für "Bild am Sonntag" sind 64 Prozent der Bundesbürger dieser Meinung. 34 Prozent halten es dagegen nicht für notwendig, dass künftig vor jeder Regierungsbildung die Basis befragt wird. Eine noch größere Mehrheit von 74 Prozent will, dass künftig wichtige politische Fragen durch Volksentscheide gelöst werden sollen. 23 Prozent sind dagegen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur