DIW-Chef warnt vor Seehofers Anti-Islam-Kurs
Archivmeldung vom 16.03.2018
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Freigeschaltet durch André OttDer Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat vor den Folgen der Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zum Islam gewarnt. "Die Behauptung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, ist nicht nur faktisch falsch, sondern ist auch ein zum Scheitern verurteilter Versuch der Ausgrenzung und Spaltung der Gesellschaft", sagte Fratzscher dem "Handelsblatt".
Mit rund fünf Millionen Bürgern muslimischen Glaubens gehöre der Islam bereits seit langer Zeit zu Deutschland. Mit seiner Aussage könne Seehofer Deutschland "nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich einen signifikanten Schaden zufügen". Fratzscher erinnerte daran, dass der große wirtschaftliche Erfolg Deutschlands auf der Offenheit der deutschen Gesellschaft und ihrer Wirtschaft beruhe. "Fast jeder zweite Job hängt direkt oder indirekt an unseren Exporten, die ohne offene Grenzen für Waren und auch Menschen gar nicht möglich wären", betonte der DIW-Chef. Ohne die Zuwanderung vor allem der letzten zehn Jahre wäre die Stärke der deutschen Wirtschaft nicht möglich.
Auch Innovation und Leistungsfähigkeit seien ohne die Vielfalt von Perspektiven und Menschen kaum denkbar. "Wenn Deutschland seinen gegenwärtigen Wohlstand langfristig sichern will, dann muss auch die Politik endlich aufwachen und dazu beitragen, Deutschlands offene Gesellschaft zu akzeptieren und konstruktiv zu gestalten", mahnte der DIW-Chef. Seehofers Aussage versuche hingegen "unsere Gesellschaft zu spalten und schadet unserem Wohlstand". Auch der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier, sieht die Anti-Islam-Äußerungen Seehofers kritisch. "Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands beruht auch auf einer liberalen und freiheitlichen Grundeinstellung", sagte Bielmeier dem "Handelsblatt". "Eine nachhaltige Einschränkung dieser Grundwerte dürfte mittelfristig die Attraktivität des Standortes schmälern und Wohlstand kosten."
Quelle: dts Nachrichtenagentur