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Jochen Stay: Angebliche Regierungsentscheidung pro Atom ist Presse-Ente

Archivmeldung vom 26.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Jochen Stay Bild: .ausgestrahlt
Jochen Stay Bild: .ausgestrahlt

Zur Berichterstattung über einen angeblichen Beschluss der Bundesregierung, alle 17 Atomkraftwerke weiter zu betreiben und Strommengen auf die AKW Neckarwestheim und Biblis zu übertragen erklärt Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt:

„Glückwunsch an die Redaktion von ‚Spiegel Online’! Ihr ist es gelungen, aus einer Mücke einen Nachrichten-Elefanten zu machen, den dann viele angebliche Fachleute aus Medien und Politik falsch verstanden haben. So wurde aus dem Elefanten schließlich in vielen Berichten eine Ente.

Am Samstag war in der Online-Ausgabe des ‚Spiegel’ davon zu lesen, die Atomlobby habe sich durchgesetzt und ‚das vorläufige Ende des Atomausstiegs’ sei gekommen. Weiter war zu lesen, die Bundesregierung habe sich darauf festgelegt, alle 17 Atomkraftwerke am Netz zu halten. Erreicht werden solle dies durch Übertragung von Strommengen auf die Pannenreaktoren Neckarwestheim und Biblis, die nach dem derzeitigen Atomgesetz kurz vor der Stilllegung stehen. Dies sei Ergebnis des Gesprächs von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla mit Vorstandsmitgliedern der Stromkonzerne vom letzten Donnerstag.

Was sich liest wie eine Grundsatzentscheidung ist das genaue Gegenteil. Denn die Bundesregierung hat die Stromkonzerne beim Gespräch im Kanzleramt darauf hingewiesen, dass von ihrer Seite keine kurzfristigen Maßnahmen zur Laufzeitverlängerung vorgesehen sind. Es gibt derzeit noch nicht einmal die Bereitschaft, einer Übertragung von Reststrommengen von neueren auf ältere Reaktoren zuzustimmen, was viele Kommentatoren aus der Spiegel-Meldung herausgelesen haben. Auch die Frage, wie viele AKW von den geplanten Laufzeitverlängerungen profitieren sollen und wie viele aus Sicherheitsgründen vom Netz gehen werden, ist noch nicht entschieden und in den Koalitionsparteien umstritten.

Die einzige Neuigkeit, auf der die Meldung vom Samstag beruht, ist die Tatsache, dass die Stromkonzerne ganz ohne Unterstützung der Regierung die schnelle Stilllegung von Neckarwestheim und Biblis um einige Monate verzögern können, wenn sie zusammenarbeiten. Der Eon-Konzern verfügt über Reststrommengen aus dem 2003 stillgelegten AKW Stade, die laut dem rot-grünen Atomgesetz ohne Zustimmung der Bundesregierung auf jedes andere Atomkraftwerk übertragen werden können. Ob dies wirklich geschieht, ist allerdings nicht sicher, da die Reaktoren in Neckarwestheim und Biblis den Eon-Konkurrenten EnBW und RWE gehören. Bisher wurde keine Einigung erzielt.

Zwar ist es richtig, dass es unterm Strich, falls die Strommengen von Stade auf die süddeutschen Pannen-Reaktoren übertragen werden, einfacher gelingen kann, diese bis zu einer Entscheidung der Bundesregierung über die Zukunft der Atomenergie am Netz zu halten. Doch die Möglichkeit dazu haben SPD und Grüne im Atomkonsens aus dem Jahr 2000 geschaffen, nicht Union und FDP beim Gespräch letzte Woche im Kanzleramt.

So lange sich die schwarz-gelbe Bundesregierung atompolitisch nicht festgelegt hat, ist es möglich, durch massive Proteste Einfluss zu nehmen. Die Ablehnung der Atomenergie geht inzwischen durch alle gesellschaftlichen Lager. Gerade weil die Kanzlerin und ihr Umweltminister dies wissen, halten sie sich bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen bedeckt. Danach kann die Entscheidung so oder so ausfallen. Abhängig ist das davon, wer am Ende mehr Druck ausüben kann: die Atomlobby oder die atomkritische gesellschaftliche Mehrheit.“ 

Quelle:  .ausgestrahlt

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