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Stadtforscher warnt vor Banlieues in Berlin

Archivmeldung vom 04.04.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.04.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Vorstadt Le Quartier de la Fauconnière in Gonesse im Norden von Paris
Vorstadt Le Quartier de la Fauconnière in Gonesse im Norden von Paris

Foto: David.Monniaux
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Stadtforscher Andrej Holm warnt vor der Entstehung von Banlieues wie in Paris auch in Berlin. Berlin entmische sich sozial, erklärte Holm im Gespräch mit der in Berlin erscheinenden Tageszeitung »neues deutschland«. »Es entwickelt sich eine ziemlich klassische Konzentration von Armen in Großsiedlungen am Stadtrand, die wir bisher vor allem aus anderen Städten wie Paris mit den Banlieues kannten«, sagte der Stadtsoziologe. Dies sei eine Folge der Verdrängung, der sogenannten Gentrifizierung, durch hohe Mieten vor allem in der Innenstadt. »Große Teile der Stadt haben sich zu Hartz IV-freien Zonen entwickelt«, sagte Holm.

Der an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Holm bezog sich in seiner Analyse auf den vor wenigen Tagen erschienenen »Bericht zum Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2015«. Detailliert wird in dem von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung herausgegebenen Papier die soziale Lage der Bewohner in den Stadtteilen Berlins und deren Veränderung vom 31. Dezember 2012 bis 31. Dezember 2014 beschrieben.

Als Konsequenz aus den bedrohlichen Entwicklungen und dem Verlust der typischen Berliner sozialen Mischung müsse der Senat alles tun, so Holm, um die 120 000 noch bestehenden Sozialwohnungen zu erhalten. »Es ist ein Skandal, dass gerade in der Innenstadt Wohnungen schnell aus der Bindung entlassen worden sind«, sagte er. Stadtweit hinke der Neubau dem Auslaufen von Sozialbindungen hinterher. Weiter forderte der Stadtforscher ein komplettes Mietmoratorium für die 300 000 öffentlichen Wohnungen, das Erhöhungen sowohl bei Bestandsmietern als auch bei Neuvermietung ausschließe.

Für Häuser in Privatbesitz schlägt Holm kurzfristig die Schaffung eines Anti-Spekulations-Fonds vor, mit dem die Stadt Häuser mit offensichtlichen Entmietungsstrategien aufkaufen kann. Auf lange Sicht könne eine soziale Wohnungsversorgung jedoch nur mit einer Einschränkung der Immobilienverwertung gelingen. Eine Erhöhung der Grunderwerbssteuer könnte den schnellen Weiterverkauf bremsen. »Die Erfahrung zeigt, dass der Verdrängungsprozess fast immer mit einem Eigentümerwechsel beginnt«, so Holm. Die Berliner Politik versuche immer am Ende der Verwertungsketten eine Regulierung hinzubekommen, gehe aber nie an Ursachen heran.

Quelle: neues deutschland (ots)

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