Fahrgastverband fordert staatspolitische Entscheidung zum Bahn-Börsengang
Archivmeldung vom 31.08.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDer Fahrgastverband PRO BAHN fordert von Bundestag und Bundesregierung eine weitblickende staatspolitische Entscheidung zur Zukunft des Schienennetzes. Die Bundesrepublik Deutschland darf nach Auffassung des Verbraucherverbandes nicht wie beim Strom in die Falle eines privatisierten Netzmonopols geraten.
Bekanntlich hat die Politik der früheren und gegenwärtigen
Bundesregierungen dahin geführt, dass der Wettbewerb auf dem
Strommarkt versagt und die Stromkonzerne überhöhte Netzentgelte
fordern. "Erst gestern hat die Bundesnetzagentur erneut die
Netzentgelte eines Stromversorgers beanstandet. Ob das als Senkung
der Preise bei den Groß- und Kleinverbrauchern - der Industrie und
den Bürgern - ankommt und den fehlenden Wettbewerb bringt, ist aber
unklar," erläutert Hartmut Buyken, verkehrspolitischer Sprecher des
Fahrgastverbandes PRO BAHN. "Bei einem privatisierten Schienennetz
droht jetzt die gleiche Entwicklung." Fachleute gehen auch davon aus,
dass Stromversorger durch Verknappung der Kapazitäten den Wettbewerb
behindern.
"Das von der Bundesregierung für das Schienennetz ins Spiel gebrachte Nießbrauchs-Modell führt auf mehrere Jahrzehnte zu einer ähnlichen Situation," erläutert Rechtsexperte Rainer Engel. "Nießbrauch heißt, dass der Nießbraucher wie ein Eigentümer auf Zeit über alle Rechte verfügt - unter Ausschluss aller Rechte anderer, auch der Rechte des Eigentümers. Ein Nießbrauchsrecht am Schienennetz könnte sogar gegen das Grundgesetz verstoßen," befürchtet Engel. "Das Grundgesetz fordert, dass der Bund die Hoheit über das Netz behält."
"Durch einen Nießbrauch am Schienennetz würden Bundesregierung,
Bundestag und Bundesländer nur noch Zahlmeister ohne Rechte sein, und
das für mehrere Jahrzehnte. Wer einen Nießbrauch innehat, muss alle
Investitionen, Kosten und Lasten selbst tragen. Dazu ist die Deutsche
Bahn AG gar nicht in der Lage. Das Schienennetz braucht allein für
den Erhalt jährlich 2,5 Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln und
Staatsaufträge für den Regionalverkehr im Wert von jährlich weiteren
4 Milliarden Euro. Fast unkontrollierbare Entgelt- und
Zuschussforderungen der Bahn bei zweifelhafter Qualität des Netzes
wären die Folge. Darunter leiden würden die verladende Industrie und
die Fahrgäste im Fern- und Nahverkehr." Der Fahrgastverband PRO BAHN
hält ein Nießbrauchsrecht daher für nicht verantwortbar. "Wie ein
Konzern mit seinen Rechten umgeht, zeigt die Deutsche Bahn AG selbst
am Beispiel der ungeklärten Verschiebung von Immobilien im großen
Stil vom Netz zur Zentrale, um sie dem Zugriff des Bundes zu
entziehen," so Engel.
"Wir hoffen, dass der Deutsche Bundestag mit Weitsicht entscheidet," erklärt Buyken. "Die von uns Bürgern gewählten Abgeordneten dürfen sich weder durch illegale Streikdrohungen von Gewerkschaftlern noch durch ein Machtwort einer Bundeskanzlerin schrecken lassen, sonst machen sie sich und die Demokratie in Deutschland unglaubwürdig."
Der Fahrgastverband PRO BAHN weist darauf hin, dass Arbeitsplätze
der Eisenbahner nur dadurch gesichert werden können, dass mehr
Verkehr auf die Schiene kommt. "Mehr Güter auf der Bahn können einen
großen Beitrag zum Unterhalt des Schienennetzes leisten", erklärt
Buyken. "Das von der Bundesregierung eingeholte Gutachten zum
Börsengang macht klar, dass eine Steigerung des Güterverkehrs um ein
Viertel möglich ist, wenn das Schienennetz unabhängig und
wettbewerbsneutral verwaltet wird."
Quelle: Pressemitteilung PRO BAHN e.V.