Zeitung: Regierung reagierte verzögert auf Warnung vor Milliarden-Steuerbetrug
Archivmeldung vom 12.06.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Bundesregierung hat nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" eingeräumt, trotz Warnungen aus der Bankbranche erst mit jahrelanger Verzögerung auf groß angelegte Steuerbetrügereien durch Kreditinstitute und Investmentfonds reagiert zu haben. Konkret geht es um sogenannte Cum-Ex-Geschäfte, bei denen Finanzhäuser Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividendenanspruch so schnell und über so viele Stationen handelten, dass die Finanzämter den Überblick verloren und am Ende mehr Kapitalertragsteuer erstatteten, als die Beteiligten zuvor überhaupt gezahlt hatten.
Erst 2012 wurde die Gesetzeslücke geschlossen, der Schaden für den Steuerzahler soll viele Milliarden Euro betragen.
In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen gesteht die Regierung dem Bericht zufolge nun zu, dass der Bundesverband deutscher Banken schon 2002 auf "die abstrakte Möglichkeit" hingewiesen habe, dass es bei Leerverkäufen von Aktien rund um den jährlichen Dividendenstichtag zu steuerrechtlichen Problemen kommen könnte. Aber, so heiße es in dem Brief von Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) weiter: "Die Gefahr, dass diese Systemschwäche gezielt ausgenutzt würde oder, dass dies zu erwarten sei, wurde nicht beschrieben."
Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion und Initiator der Anfrage, übte scharfe Kritik an der Regierung. "Jahrelang sind die deutschen Steuerzahler durch Investoren mithilfe findiger Berater im Ergebnis schlicht und ergreifend beklaut worden. Es ist ein Skandal, dass die offensichtlich bekannte Regelungslücke mit dem Jahressteuergesetz 2007 wider besseren Wissens nicht konsequent geschlossen wurde", sagte er der Zeitung. "Die Hintergründe für das Versäumnis müssen parlamentarisch aufgearbeitet werden", fügte er an, ohne das Wort "Untersuchungsausschuss" zunächst in den Mund zu nehmen. Schließlich sei der "groß angelegte Diebstahl" von Steuergeld 2007 erst richtig in Fahrt gekommen, da die Profiteure der Geschäfte wegen des Nichtstuns der Regierung "davon ausgehen konnten, für das unmoralische Verhalten nicht strafrechtlich belangt zu werden".
Das Finanzministerium verweist in seinem Schreiben darauf, dass man sich ja 2007 um eine Beseitigung des Missstands bemüht habe - bei dem es sich im Übrigen nicht um Steuergestaltung, sondern um Steuerbetrug, also um eine Straftat, handle. Die enorme Komplexität der Fälle und die Verschleierungsversuche der Beteiligten hätten die Entdeckung und die Aufklärung der Vergehen zunächst verzögert. Als dann aber 2009 erste umfassende Fälle bekannt geworden sei, habe man "umgehend Lösungsmöglichkeiten erörtert".
Quelle: dts Nachrichtenagentur