Wolfgang Thierse (SPD): Ostdeutsche haben Anlass zu mehr Selbstbewusstsein
Archivmeldung vom 04.06.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer ehemalige Bundestagspräsident, Wolfgang Thierse, wünscht sich von den Ostdeutschen mehr Selbstbewusstsein. Viele fühlten sich auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer zurückgesetzt. "Man muss wissen, dass da auch noch eine längere Prägung mitspielt. Auch zur Zeiten der Spaltung haben sich die Ostdeutschen als Deutsche zweiter Klasse empfunden. Sie haben sich ja immer mit den Westdeutschen verglichen und die waren die erfolgreicheren, die reicheren, die angeseheneren. Das spielt immer noch nach", so Thierse im phoenix-Interview.
Auf der anderen Seite habe sich in Ostdeutschland auch vieles zum Positiven verändert. "Diese 30 Jahre, diese Transformation, haben wir doch bestanden. Es geht den meisten Ostdeutschen deutlich besser, das geht aus Umfragen deutlich hervor... Ein bisschen Stolz auf das Selbsterreichte, das wäre gut."
Weshalb es dennoch viele Wähler:innen gerade in Sachsen-Anhalt und anderen ostdeutschen Ländern zur AfD ziehe, erklärt Thierse so: "Es gibt einen Teil der Wähler, die ihre soziale Unzufriedenheit, ihre Wut, ihre Enttäuschung zur AfD tragen, die sagen: 'Wir haben so viel dramatische Veränderung erfahren, so viel Verluste, so viel Verunsicherung.'" Keinesfalls dürften alle AfD-Wähler:innen als rechtsextremistisch oder demokratiefeindlich abgestempelt werden. Thierse ist sich sicher: "Die Enttäuschten, die Empörten und diejenigen, die Angst vor der nächsten Veränderung haben und einen Halt wünschen, die sind wichtig. Die sind nicht undemokratisch und die können wir auch für den demokratischen Alltag und ihre Regeln und Abläufe gewinnen."
Quelle: PHOENIX (ots)