Ex-Ministerpräsident Vogel fordert Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen
Archivmeldung vom 06.11.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.11.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtNach dem Finanzskandal im Bistum Limburg erreicht die Debatte über die Kirchenfinanzen die Union: Der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, Bernhard Vogel (CDU), fordert eine baldige Ablösung der Staatsleistungen, die 14 Bundesländer zum Ausgleich für Säkularisierungsfolgen des 19. Jahrhunderts alljährlich an die beiden großen Kirchen zahlen.
"Beide Seiten, sowohl Bund und Länder als auch die Kirchen, sollten jetzt ein Interesse daran haben, die Staatsleistungen neu und abschließend zu regeln", sagte Vogel der "Welt". Vogel, heute Ehrenvorsitzender der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, sagte weiter: "Der Staat und die Kirchen dürfen sich bei den Staatsleistungen nicht länger von außen drängen lassen, sondern sollten ernsthaft über die Ablösung miteinander reden."
Explizit reagierte Vogel dabei auf die Debatte über das Bistum Limburg: "Der Limburger Bischof hat durch sein Verhalten eine Diskussion über die Kirchenfinanzen angestoßen, die weit über diese Diözese hinausgeht. Dieser Diskussion muss man sich nun stellen." Zwar dürfe man, so Vogel, dabei "nicht alles über einen Leisten schlagen", da die Kirchen "ungeheuer viele Leistungen" erbrächten, weshalb das Kirchensteuersystem "unbedingt zu verteidigen sei". Doch die Staatsleistungen, die sich 2013 auf insgesamt rund 460 Millionen Euro belaufen, stoßen nach Vogels Einschätzung "auf nachvollziehbares Unverständnis".
Dabei habe "schon die Weimarer Reichsverfassung von 1919 in einem dann ins Grundgesetz übernommenen Artikel eine Ablösung vorgesehen, die aber bisher nicht in Angriff genommen wurde". Um diese Ablösung nun anzugehen, plädiert Vogel dafür, bald ein in der Verfassung vorgesehenes Grundsätze-Gesetz des Bundes zu den allgemeinen Prinzipien einer Ablösung zu erstellen. "Diese Grundsätze des Bundes sollten jetzt angegangen werden", sagte Vogel.
Allerdings müsse dabei "klar sein, dass die Verträge über die Staatsleistungen nur im beiderseitigen Einvernehmen geändert werden können und dass man eine Zustimmung der Kirchen nur erreicht, wenn Wege gefunden werden, auf denen die Kirchen ihren bisherigen Verpflichtungen gerecht werden können." Es sei daher "sinnvoll, über eine einmalige oder auch gestufte Ablösezahlung zu sprechen, mit der die Kirchen dann weiter arbeiten können und zugleich die Staatsleistungen abschließend geregelt werden".
Zustimmung kam von der SPD. Deren langjährige kirchenpolitische Sprecherin im Bundestag, Kerstin Griese, die über die große Koalition mitverhandelt, sagte der "Welt": "Es ist für viele Menschen befremdlich, dass ein Teil der Pfarrer und Bischöfe direkt aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert wird. Deswegen trete ich dafür ein, dass Bund, Länder und Kirchen dieses Thema in gemeinsamen Gesprächen angehen." Doch könne der Bund "nicht einfach mit einem Gesetz vorschreiben, wie bestehende Verträge abgelöst werden sollen". Darüber, so Griese, müsse "mit den Vertragspartnern gesprochen werden."
Griese, Synoden-Mitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), verwies darauf, "dass es auch in den Kirchen Stimmen gibt, die sich für eine Ablösung der Staatsleistungen aussprechen". Allerdings werde eine Lösung "nicht einfach", da "die Situation in den verschiedenen Bundesländern, Diözesen und Landeskirchen höchst unterschiedlich ist" und eine Ablösung per Einmalzahlung teuer sei.
Griese: "Experten gehen davon aus, dass für eine Ablösung die 18- bis 25-fache Jahreszahlung aufgewendet werden müsse." Als erstes aber ist es laut Griese "absolut notwendig, dass insbesondere die katholische Kirche für mehr Transparenz hinsichtlich der Verwendung von Steuergeldern sorgt. Bischöfliche Stühle und andere Konstruktionen, die Schattenhaushalte ohne Kontrolle ermöglichen, sind meines Erachtens nicht haltbar."
Quelle: dts Nachrichtenagentur