Zentralrat sagt neue Qualitätsstandards bei Beschneidungen zu
Archivmeldung vom 15.12.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Zentralrat der Juden in Deutschland will sich weiterhin einer sachlichen Debatte über die Beschneidung von Jungen stellen. "Wir sind es der Gesellschaft und auch uns selbst schuldig, die Diskussion mit den Kritikern zu führen", sagte der Generalsekretär des Zentralrats Stephan Krämer der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.). Er hoffe, dass "wir dann irgendwann einen Status quo erreichen, mit dem wir nicht nur alle leben können, sondern der uns höchstmögliche Qualitätsstandards sichert".
Krämer sagte zu, dass der Zentralrat von Januar an eine zertifizierte Zusatzausbildung für jüdische Beschneider anbieten wird. Sie würden speziell geschult, um Eltern rechtlich aufklären und eine Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst vornehmen zu können. Die Regelung gelte zunächst für neue Mohalim; schon ausgebildete Mohalim erhielten Aufbaukurse. Der Zentralrat erstelle außerdem eine Positivliste von Ausbildungsinstitutionen für Mohalim. Nur wer dort ausgebildet worden sei, dürfe künftig in Deutschland noch praktizieren. "Wir werden da sehr genau hinsehen und nicht jedes x-beliebige Seminar anerkennen", sagte Krämer.
Mit diesen Maßnahmen will der Zentralrat dem Gesetz zur Beschneidung von Jungen genüge tun, das Bundestag und Bundesrat vergangene Woche verabschiedet haben. Es sieht vor, dass Jungen im Alter bis sechs Monaten auch von Nicht-Ärzten beschnitten werden dürfen, sofern sie nach den Regeln ärztlicher Kunst verfahren.
Beschneidungsgegner kritisieren Justizministerin
Kritiker des neuen Beschneidungsgesetzes haben Äußerungen von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zurückgewiesen. Die Ministerin hatte vergangene Woche in einem Interview mit dem "Deutschlandfunk" gesagt, die "Komplikationsrate" bei Beschneidungen liege "bei 0,01 Prozent weltweit".
Der Hamburger Strafrechtler Reinhard Merkel sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.), die Ministerin untertreibe das Komplikationsrisiko "auf eine Weise, die befremdlich ist". Tatsächlich dürfte das Risiko weltweit eher bei fünf Prozent liegen, sagte Merkel.
Der Düsseldorfer Neurologe Matthias Franz sagte der F.A.S., die Beschneidungsopfer würden durch solche Fehlinformationen "ein zweites Mal übergangen und verletzt". Das Bundesjustizministerium verwies auf Anfrage auf den Text der Gesetzesbegründung. Dort wird die Häufigkeit von Komplikationen mit 0,2 bis 2 Prozent angegeben. Die Kritiker wiesen gegenüber der F.A.S. auch die Darstellung der Ministerin zurück, sie seien gehört und an der Gesetzgebung beteiligt worden. "Es ist einzigartig, dass ein solches Gesetz derart durchgepeitscht wird", sagte Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe.
Volker von Loewenich von der Deutschen Akademie für Kinder und Jugendmedizin (DAKJ), sagte, die Anhörung des Bundesjustizministeriums im September, zu der auch einige Kritiker geladen waren, sei eine "Alibiveranstaltung" gewesen. "Der politische Wille stand im Vorhinein fest. Es ging nie darum, eine gute Lösung im Sinne der betroffenen Kinder zu finden, sondern darum, Zwist zu vermeiden", so von Loewenich.
Der Neurologe Matthias Franz sagte, es habe eine "hermetische Intransparenz" gegeben, bei der Kritiker, besonders Betroffene, nicht gehört worden seien. Von einem "atemberaubenden Tempo" bei der Gesetzgebung sprach Raju Sharma (Linkspartei). Marlene Rupprecht (SPD) führte die Eile beim Beschneidungsgesetz auf politischen Opportunismus zurück: "Gesetze werden dann schnell gemacht, wenn es politisch opportun erscheint und wenn befürchtet wird, dass von außen Widerstand kommen könnte", sagte sie der F.A.S.
Der Strafrechtler Reinhard Merkel hält das Beschneidungsgesetz für verfassungswidrig. Es verstoße gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Zudem werde das Recht auf körperliche Unversehrtheit auf nicht legitimierbare Weise verletzt.
Quelle: dts Nachrichtenagentur