Bürgergeld zu niedrig: Paritätischer fordert armutsfesten Regelsatz von 725 Euro
Archivmeldung vom 09.11.2022
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.11.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićLaut einer aktuellen Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist die zum Januar 2023 geplante Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung auf 502 Euro, über die der Deutsche Bundestag am morgigen Donnerstag im Zusammenhang mit einer Reform von Hartz IV und der Einführung eines sogenannten "Bürgergeldes" berät, viel zu niedrig.
Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müssten die Leistungen auf mindestens 725 Euro angehoben werden, um wirksam vor Armut zu schützen. Der Verband fordert eine entsprechende Erhöhung des Regelsatzes um 276 Euro plus die vollständige Übernahme der Stromkosten und mahnt die Politik zur Eile: Angesichts der Notlage der Betroffenen sei keine Zeit zu verlieren.
Der Paritätische kritisiert die regierungsamtliche Berechnungsmethode trotz der neuen Fortschreibungsmethodik als nicht geeignet, das verfassungsrechtlich gebotene soziokulturelle Existenzminimum abzusichern. "Ob Hartz IV oder Bürgergeld, an der eigentlichen Berechnungsmethode hat sich nichts geändert, die Leistungen bleiben trickreich kleingerechnet, reichen vorne und hinten nicht und gehen an der Lebensrealität der Menschen vorbei", kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Angesichts der rasant steigenden Preise insbesondere für Energie und Lebensmittel stelle die geplante Erhöhung zum 1. Januar keine Verbesserung des Lebensstandards dar, sondern lediglich eine Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten der letzten 12 Monate.
Die Paritätische Forschungsstelle rechnet in ihrer aktuellen Expertise die seit Jahren bereits umstrittenen und auch von anderen Sozialverbänden kritisierten statistischen Manipulationen im Regelsatz heraus und nimmt darüber hinaus eine Anpassung an die aktuelle Preisentwicklung entsprechend des von der Ampel-Koalition vorgeschlagenen neuen Fortschreibungsmechanismus vor. Im Ergebnis müsste der Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen ab dem 1.1.2023 mindestens 725 Euro statt 502 Euro betragen.
Diese Berechnungen für einen armutsfesten Regelsatz werden durch eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa gestützt, nach der die Bevölkerung mehrheitlich nicht davon ausgeht, dass der mit dem Bürgergeld vorgesehene Regelsatz ausreicht, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Mit lediglich 6 Prozent geht nur eine ausgesprochen kleine Minderheit davon aus, dass der für Ernährung vorgesehene Betrag im Bürgergeld eine gesunde und ausgewogene Ernährung ermöglicht. In Hinblick auf die bisherige Unterstützung von Menschen mit geringen Einkommen, Rentner*innen und Studierenden sowie gemeinnützigen sozialen Einrichtungen in der Energie-Krise meint jeweils eine klare Mehrheit von etwa zwei Drittel der Befragten, dass diese bisher nicht ausreichend unterstützt werden.
Datenbasis: Die repräsentative Umfrage wurde vom 28. Oktober bis 3. November 2022 vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes durchgeführt. Insgesamt wurden 1012 Personen über 18 Jahre im Rahmen der Mehrthemenumfrage des repräsentativen Online-Befragungspanels forsa.Omninet befragt.
Quelle: Paritätischer Wohlfahrtsverband (ots)