Schäuble will keine Guantanamo-Häftlinge in Deutschland
Archivmeldung vom 21.01.2009
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Freigeschaltet durch Oliver RandakAußenminister Steinmeier (SPD) hatte Obama seine Hilfe bei der Schließung des Häftlingslagers Guantanamo-Bay angeboten, indem er freigelassene Häftlinge in Deutschland leben lassen will. Nun bekommt er die ersten schlagkräftigen Gegenargumente für die Aufnahme von Freigelassenen in Deutschland.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat Außenminister
Frank-Walter Steinmeier (SPD) wegen seines Angebots an die USA
zurechtgewiesen, eine Aufnahme entlassener Guantánamo-Häftlinge zu
prüfen. "Der Außenminister ist der Außenminister. Zuständig sind die
Innenminister von Bund und Ländern. Das kann jeder im Aufenthaltsrecht
nachlesen", sagte Schäuble der "Frankfurter Rundschau".
Die Innenminister von Bund und Ländern würden sich mit der
Frage beschäftigen, falls die USA eine entsprechende Bitte aussprechen
würden, sagte Schäuble, der eine Aufnahme von Häftlingen aus dem
US-Lager vehement ablehnt. Diejenigen Gefangenen, bei denen es keine
gesetzlichen Gründe für einen Freiheitsentzug gebe, müssten
freigelassen werden. "Wenn sie aus Ländern kommen, in die sie aus
Menschenrechtsgründen nicht zurückkehren können, müssen sie eben in den
USA bleiben." Er kenne keinen Grund, warum jemand, der zu gefährlich
für Amerika sein soll, von einem EU-Land aufgenommen werden müsste. Der
Vize-Fraktionschef der Grünen Jürgen Trittin nannte es "absolut
unakzeptabel", wie Schäuble "mit dem menschlichen Schicksal dieser
Leute umgeht".
Demgegenüber verteidigte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas
Oppermann den Vorstoß Steinmeiers. Dessen offener Brief an Obama gebe
auch die Haltung der SPD-Fraktion wieder, sagte Oppermann in Berlin.
"Wir müssen bereit sein, Obama bei der Schließung von Guantánamo zu
unterstützen." Dagegen sei es verfehlt, jetzt eine Grundsatzdebatte
darüber zu beginnen, "wie das Schäuble tut". Die Entscheidung über die
Aufnahme bestimmter Personen müsse die Exekutive treffen. Über die
Frage solle dann diskutiert werden, "wenn konkrete Entscheidungen
anstehen".
Steinmeier hatte die grundsätzliche Bereitschaft
signalisiert, Guantánamo-Häftlinge aufzunehmen. In dem vor kurzem
veröffentlichten Brief an Obama führte er dazu aus wörtlich aus: "Ich
bin sicher: Die internationale Staatengemeinschaft wird die neue
Administration bei dieser Aufgabe nicht im Stich lassen."
Trittin sagte bei n-tv, er halte es für selbstverständlich,
dass Deutschland im gegebenen Fall Häftlinge aufnimmt. Es gebe
Menschen, "die offensichtlich unschuldig in Guantanamo festgehalten
werden", so der Außenpolitiker. "Diese Menschen können nicht in ihre
Länder zurück, zum Beispiel die Uiguren aus China. Und ich finde es
anständig, wenn die Welt sagt: 'Wir helfen den USA bei der Beseitigung
dieser Erblasten von Bush, dieses Verstoßes gegen eben diese
Prinzipien'."
Auch der Koordinator der Bundesregierung für
deutsch-amerikanische Beziehungen, Karsten Voigt, spricht sich für eine
Aufnahme entlassener Guantanamo-Häftlinge in Deutschland aus. "Man
sollte sich nicht von vornherein dagegen sperren, sondern offen sein
für solche Wünsche, falls sie aus Washington kommen", sagte der
SPD-Politiker im Deutschlandfunk.
Es sei es zwar zuerst Sache der USA, "das Problem, das sie
geschaffen haben, zu lösen". Aber auch Deutschland sei an einer Lösung
interessiert. Voraussetzung für eine Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen
sei aber, dass dadurch keine rechtlichen oder Sicherheits-Probleme
entstünden.
CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg dagegen sieht
die Verantwortung voll und ganz bei den USA. "Sie liegt dort und sie
sollte auch so gesehen werden", sagte Guttenberg bei n-tv. Er halte
"überhaupt nichts von vorauseilender Anbiederung", sondern erwarte,
dass der erste Schritt von den USA gemacht wird. "Und sollten sich
dann, aus welchen Gründen auch immer, gewisse Dinge nicht regeln
lassen, dann ist eine europäische Mitverantwortung vielleicht zu
konstruieren."
Die FDP-Justizpolitikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
forderte Kanzlerin Angela Merkel auf, in der Diskussion ein klares
Signal zu setzen. Die Regierung solle sich einer Einzelfallprüfung der
Fälle von Guantánamo-Häftlingen öffnen.
Der neue US-Präsident Barack Obama hatte angekündigt, das
international umstrittene Lager auf dem US-Militärstützpunkt auf Kuba
zu schließen. Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt ließ er zunächst
die dortigen Militärtribunale vorerst stoppen.