Hannelore Kraft: "Ich möchte mir kein dickes Fell zulegen."
Archivmeldung vom 02.12.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGestern Abend begrüßte das Magazin BRIGITTE im Rahmen der Gesprächsreihe BRIGITTE LIVE Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Berlin zum Interview. Das Publikum traf auf eine selbstbewusste und authentische Politikerin, die mit Leidenschaft und nachhaltig für die Dinge einsteht, die sie verändern möchte.
Wieviel Energie die Person Hannelore Kraft selbst aus ihrer politischen Arbeit zieht, machen Sätze während des Interviews deutlich, wie: "Wahlkampf ist für mich Hoch-Zeit, da lade ich meine Batterien neu auf", "Wenn es schwierig wird, werde ich ruhiger und bin fit" oder "Zum Leidwesen der Opposition habe ich jetzt 180 Prozent Power." Als rund um die Uhr im Einsatz tätige Politikerin ist sie sich aber sehr bewusst, wie wichtig auch Entspannungsphasen sind - auf die sie sehr großen Wert legt: "Ich kann mich gut entspannen und versuche, zu Hause nicht zu arbeiten. Der Sonntag ist spätestens ab Mittag für die Familie reserviert."
Das Publikum erlebt aber vor allem eine Politikerin, die sich nicht verbiegen kann und will: "Ich habe noch nie eine politische Entscheidung getroffen, die ich nicht treffen wollte." Die Politik gäbe ihr die positive Macht, um Dinge zu verändern und der Gesellschaft etwas zurück zu geben. Sich treu zu bleiben, ist für sie ein zentraler Aspekt ihrer Politik: "Ich möchte mir kein dickes Fell zulegen, denn das lässt mich abstumpfen. Wenn ich nicht mehr offen bin, kann ich nicht mehr die Politik machen, die ich machen möchte, weil die sich aus dem direkten Kontakt zum Bürger speist." Über sich selbst sagt sie: "Ich bin sehr direkt." Authentizität hat aber auch ihren Preis, und da ärgert Kraft es auch schon einmal, wenn bei Politikern aus dem Zusammenhang gerissene und skandalisierte Halbsätze zitiert werden. "Das schadet der Politik langfristig", sagt sie. Auf die Frage, ob sie heute noch dieselbe Hannelore Kraft sei wie zu Beginn ihrer politischen Karriere, antwortet sie: "Im Sommer haben Freunde mir gesagt: 'Jetzt musst Du aufpassen, damit Du nicht zu hart wirst'."
Das Frauenbild in der Politik habe sich verändert, sagt Kraft, und weiter: "Ich kann Frau bleiben in der Politik und muss mich nicht der Männerwelt anpassen." Aber: "Frauen werden noch immer mit anderen Adjektiven beschrieben", sagt sie in Anspielung auf die jüngst von Volker Kauder als "weinerlich" bezeichnete Familienministerin Manuela Schwesig. Kraft reflektiert: "Ich fand die Debatte gut. Auch ich werde manchmal mit Attributen belegt wie 'dünnhäutig', 'kratzbürstig' oder 'zickig'. Und eben nicht als 'kämpferisch' und 'durchsetzungsstark', das sind männliche Attribute. Das zeigt mir dann, wir sind noch nicht so weit, wie wir manchmal glauben." Ob sie für die Frauenquote ist, wird sie gefragt, und antwortet: "Das ist eine Geschlechterquote. Und es war ein Prozess für mich. Heute weiß ich, dass Vielfalt auch wichtig ist in den Unternehmen. Die Dialogkultur verändert sich, wenn mehr Frauen am Tisch sitzen, denn sie ticken anders, bewerten Dinge aus einer anderen Perspektive. Frauen geht es in Auseinandersetzungen eher um die Sache." Zu dem im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Entgeltausgleich, der im nächsten Jahr auf der politischen Agenda stehen wird, sagt sie: "Ich hoffe, dass da bald etwas passiert. Ungleiche Gehälter für die gleiche Leistung bei Männern und Frauen stören mich. Wie weit ein Gesetz greifen kann, das muss sich zeigen. Aber Frauen müssen auch ihre Ansprüche klar machen."
Die Termine von BRIGITTE LIVE "Die Stunde der Frauen": Doris Dörrie (3. März), Judith Holofernes (6. Mai), Eva-Maria Zurhorst (14. August), Hannelore Kraft (1. Dezember), Manuela Schwesig (15. Dezember).
Quelle: Gruner+Jahr, BRIGITTE (ots)