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Entgiftung für Europas Äcker

Archivmeldung vom 13.01.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.01.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Das EU-Parlament hat mit großer Mehrheit ein Verbot gefährlicher Pflanzenschutzmittel verabschiedet. Es ist die bislang strengste Verordnung gegen Pestizide weltweit

Erstmals werden in der Europäischen Union künftig hochgiftige Substanzen verboten, die im Verdacht stehen, Krebs zu erregen, das Erbgut zu verändern oder die Fortpflanzungsfähigkeit zu schädigen. Die Abgeordneten stimmten in Straßburg mit überwältigender Mehrheit für die verschärften Regeln. Diese sollen für alle gelten, die Pestizide herstellen, zulassen und in der Landwirtschaft einsetzen. Da sich Vertreter von EU-Kommission, Mitgliedstaaten und Parlament zuvor auf einen Kompromiss geeinigt hatten, ist die Zustimmung der Minister nur noch eine Formalie.

Von dem Verbot betroffen sind nach EU-Angaben 22 Substanzen, von denen zwei bereits in diesem Jahr nicht mehr verwendet werden dürfen. Für die übrigen Chemikalien laufen die Zulassungen allerdings zum Teil erst  2018 ab.

Auch hormonell wirksame Substanzen sollen verboten werden. Zudem sollen Wirkstoffe streng geprüft werden, die ab einer gewissen Menge die Entwicklung des Immun- oder Nervensystems schädigen können. Auch dürfen in Zukunft keine Pestizide mehr aus Hubschraubern und Flugzeugen über Äckern versprüht werden.

Die strengen Regeln gelten auch für Obst- und Gemüse-Importe aus Drittländern. "Wenn Marokkaner weiterhin Weintrauben in die Union exportieren wollen, müssen sie auch die entsprechenden Qualitätskriterien erfüllen", sagte die Abgeordnete Christa Klass (CDU).

"Der Ausstiegsbeschluss ist eine Sternstunde für Europa", sagte die Abgeordnete Hiltrud Breyer (Grüne), besonders angesichts  des "massiven Lobbydrucks" von Chemie-Industrie und Vertretern der Landwirtschaft. Fast die Hälfte des in Europa produzierten Obstes und Gemüses enthalte derzeit einen Cocktail aus Pestiziden, sagte Breyer. Lebensmittel seien insgesamt durch 354 verschiedene Pestizide belastet. Besonders betroffen seien belastete Weintrauben, Bananen und Paprika. Als Durchbruch bezeichnete Breyer auch die Verbesserungen für den Bienenschutz. Dass beschlossene Verbot sieht vor, dass in Zukunft eingesetzte Substanzen keine schädlichen Auswirkungen auf Bienen haben dürfen.

"Kein großer Wurf", kommentierte dagegen die Umweltorganisation Greenpeace. "Der Gift-Lobby ist es gelungen, die guten Ansätze des EU-Parlamentes zum Schutz der Umwelt und der Verbraucher auszuhöhlen", sagte Chemie-Experte Manfred Krautter.

Für EU-Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou ist das Gesetz ein Fortschritt. Sowohl die menschliche Gesundheit als auch die Umwelt werde so besser geschützt.  "Die Agrarindustrie steht jetzt in der Pflicht, den Landwirten umweltfreundlichere Alternativlösungen zur Verfügung zu stellen", sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in Berlin. Die EU-Pflanzenschutzverordnung könne nun mit Recht als wegweisendes Instrument des Umweltschutzes bezeichnet werden.

Die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland warnten dagegen vor "schmerzhaften Lücken, die für die Landwirte entstehen könnten". Wichtige Mittel gegen Schadpilze im Getreide seien nun gefährdet, sagte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Agrar e.V., Volker Koch-Achelpöhler. Bauernverbände und die Industrie warnten vor Ernteeinbußen. Dies nannte Breyer "Panikmache". Von dem Verbot betroffen seien lediglich fünf bis acht Prozent der Pestizide. Die Industrie sei aufgerufen, nach Alternativen zu suchen.

Die EU-Mitgliedsstaaten können Ausnahmeregelungen für höchstens fünf Jahre beschließen, wenn es für die betroffenen Substanzen keine alternativen Mittel gibt. Dies gilt für Notfälle, wenn etwa Getreideseuchen ausbrechen sollten.

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