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Brunsbüttel-Schwachstellenliste soll vorerst Staatsgeheimnis bleiben

Archivmeldung vom 15.02.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.02.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Schwachstellenliste des Siedewasserreaktors Brunsbüttel, die die Ergebnisse einer seit dem Sommer 2001 abgeschlossenen Sicherheitsüberprüfung zusammenfasst, soll weiter geheim bleiben. Das entschied am Dienstag das Verwaltungsgericht Schleswig (Az.: 12 B 85/06).

Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat umgehend Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Schleswig eingelegt, um doch noch Zugang zu der von Vattenfall Europe und dem schleswig-holsteinischen Sozialministerium unter Verschluss gehaltenen Liste mit "hunderten offenen Punkte" zu erhalten.

"Ein halbes Jahr, nachdem die Deutsche Umwelthilfe auf Grundlage der Umweltinformationsrichtlinie der EU Auskunft über den Sicherheitszustand des Altreaktors Brunsbüttel verlangt hat, geht es jetzt vor dem Oberverwaltungsgericht um die grundsätzliche Klärung zweier Fragen. Erstens: Warum sind hunderte offener Punkte bei einem über 30 Jahre alten Reaktor fünfeinhalb Jahre nach einer Sicherheitsprüfung immer noch offen und wie gravierend sind die Sicherheitsdefizite in Brunsbüttel? Zweitens: Ist es Vattenfall Europe in Deutschland möglich, das europäische und deutsche Umweltinformationsrecht durch eine einfache, noch dazu inhaltlich in keinem Schriftsatz begründete Klage ad absurdum zu führen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist eine inzwischen fünfeinhalb Jahre zurückliegende, im Atomgesetz vorgeschriebene Sicherheitsüberprüfung des umstrittenen Siedewasserreaktors an der Elbe. Im Verlauf der Untersuchung hatten sich nach dem Eingeständnis der für die Sicherheit der Atomkraftwerke in Schleswig-Holstein zuständigen Ministerin Gitta Trauernicht (SPD) hunderte offene Punkte ergeben, die bis zum heutigen Tag nicht geklärt sind. Seit Ende August verlangt die DUH die Herausgabe der Liste und beruft sich dabei auf die EU-Umweltinformationsrichtlinie, in deren Begründung ausdrücklich festgelegt ist, dass die Informationen "so rasch wie möglich und innerhalb einer angemessenen Frist zugänglich gemacht" werden müssen.

Ministerin Trauernicht hatte dem DUH-Antrag Anfang November 2006 zwar grundsätzlich zugestimmt, sich aber nach einer Klage des Brunsbüttel-Betreibers Vattenfall Europe geweigert, die sofortige Vollziehung der Aktenherausgabe anzuordnen. Nach früheren Erfahrungen kann das im Ergebnis eine jahrelange Verzögerung bedeuten, die sogar über das vorgesehene Stilllegungsdatum des Brunsbüttel-Reaktors Anfang 2009 hinausreichen würde. "Zum dreißigsten Geburtstag des Meilers hat Vattenfall Europe-Chef vor ein paar Tagen angekündigt, den Reaktor länger betreiben zu wollen als vorgesehen. Das Ansinnen an sich ist schon eine Unverfrorenheit vor dem Hintergrund der bekannten Sicherheitsdefizite im Notstromsystem, nach schweren Störfällen wie der zwei Monate lang nicht überprüften schweren Wasserstoffexplosion im Dezember 2001 und aufsummiert mehr als zehn Jahren Stillstand dieses Pannenreaktors. Die Tatsache, dass Sicherheitsdefizite fünfeinhalb Jahre unter den Augen der Kieler Atomaufsicht ungeklärt geblieben sind und Vattenfall jetzt mit allen Mitteln versucht, die Mängel vor der Öffentlichkeit geheim zu halten, macht das Ansinnen zu einem beispiellosen Vorgang in deutschen Reaktorgeschichte", sagte Cornelia Ziehm, die Leiterin Verbraucherschutz und Recht der DUH. Ziehm erinnerte daran, dass über das schwedische Atomkraftwerk Forsmark, das im Sommer 2006 Schauplatz eines dramatischen Störfalls war, "fast täglich neue schauerliche Sicherheitsschlampereien" bekannt würden. In Forsmark und Brunsbüttel heiße der verantwortliche Betreiber Vattenfall.

Die Deutsche Umwelthilfe vermutet, dass die Veröffentlichung und Klärung der Sicherheitsdefizite in Brunsbüttel über Jahre hinausgezögert wurde, um Vattenfall teure Nachrüstinvestitionen vor der bevorstehenden Stilllegung des Meilers zu ersparen. Dazu passe auch die von leitenden Mitarbeitern in Brunsbüttel erklärte Bereitschaft, beispielsweise die Sicherheitsleittechnik des Reaktors dann - und anscheinend nur dann - umfangreich nachzurüsten, wenn der Staat einer Laufzeitverlängerung von mindestens etlichen Jahren zustimme. Das sieht offenbar auch das Verwaltungsgericht Schleswig so ähnlich, indem es in seinem Beschluss erklärt, die geheim gehaltene Schwachstellenliste lasse möglicherweise "Rückschlüsse auf den Anlagenwert" zu oder auf die "finanziellen Mittel, die für eine eventuelle Nachrüstung notwendig sind." Dies seien relevante Informationen für Vattenfall-Konkurrenten, die deshalb wie Geschäftsgeheimnisse geschützt werden müssten.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)

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