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Klimawandel: Genetischer Flaschenhals könnte Pflanzen an Anpassung hindern

Archivmeldung vom 10.05.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.05.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Sand-Schaumkresse (Arabidopsis arenosa)
Sand-Schaumkresse (Arabidopsis arenosa)

Foto: Kristian Peters-Fabelfroh
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Stark spezialisiert und genetisch nicht sehr flexibel: Es sind Pflanzenarten wie diese, die der Klimawandel mit seiner aktuellen Geschwindigkeit wohl vor unüberwindbare Herausforderungen stellt. In diese Richtung deutet ein laufendes Projekt der Universität Hohenheim. Am Beispiel von zwei Schaumkresse-Arten erarbeiten Populationsgenetiker, wie solche Pflanzenarten im Laufe der Evolution einen genetischen Flaschenhals passierten, der ihnen jetzt zum Verhängnis werden könnte. Die DFG fördert das Projekt mit 280.130 Euro. Damit zählt es zu den Schwergewichten der Forschung an der Universität Hohenheim.

An idyllisch plätschernden Wildbächen in den italienischen Alpen oder den französischen Cevennen gedeihen die Schaumkresse-Arten Arabidopsis pedemontana und Arabidopsis cebennensis. Doch nicht mehr lange, befürchtet Prof. Dr. Karl Schmid, Leiter des Fachgebiets Nutzpflanzenbiodiversität und Züchtungsinformatik an der Universität Hohenheim.

Dabei sieht der Wissenschaftler die beiden Schaumkresse-Arten als beispielhaftes Modell für einen ganz bestimmten Typ Pflanze. „Nach dem aktuellen Stand scheint der Klimawandel so schnell fortzuschreiten, dass diese Pflanzen nur eine geringe Chance haben, sich genetisch anzupassen: Sie sterben einfach aus.“

Der Grund: Die beiden untersuchten Arten sind stark auf bestimmte Umweltbedingungen festgelegt. Gleichzeitig verhindert die mangelnde Vielfalt in ihrem Erbgut jedoch, dass die Pflanzen sich genetisch weiter entwickeln.

Gefahrenfaktor 1: Zu starke ökologische Spezialisierung

„Die beiden Arten sind endemisch, sie haben also ein sehr kleines Verbreitungsgebiet. Zudem gedeihen sie nur unter bestimmten Bedingungen: Sie vertragen warme Temperaturen nicht, und sie brauchen viel Wasser, da sie es nur schlecht speichern können.“ Außerdem sind beide Arten kaum resistent gegen feindliche Insekten und Krankheiten wie Mehltau.

Bisher war das in den kühlen, wasserreichen Bergregionen, in denen die beiden Arten vorkommen, kein Problem. Doch durch den Klimawandel steigen auch hier die Temperaturen; schädliche Insekten und Krankheitserreger dringen in immer höhere Lagen vor. „Die Pflanzen müssen in noch höhere Gegenden ausweichen – das geht natürlich nicht unbegrenzt.“

Gefahrenfaktor 2: Mangelnde genetische Vielfalt

Eine Erklärung für diese Schwächen könnte ein sogenannter genetischer Flaschenhals sein, den die Arten in ihrer jüngsten Vergangenheit durchlaufen haben. Dabei geht aufgrund zufälliger Auswahlprozesse ein Großteil der genetischen Vielfalt verloren. Das Ergebnis, vermutet Prof. Dr. Schmid, ist eine Population, die weniger anpassungsfähig ist. Auch eine geringe Populationsgröße bringt die Arten in Bedrängnis.

Genau das hat er bei den untersuchten Arten festgestellt: Die eine Art ist zwar in einem größeren Lebensraum verbreitet, weist jedoch eine sehr geringe genetische Vielfalt auf. Die andere kann eine höhere Vielfalt bieten, kommt jedoch nur in sehr geringer Zahl vor. Beide sind damit für Umweltveränderungen schlecht aufgestellt, befürchtet Prof. Dr. Schmid.

Genetische Weiterentwicklung kommt zur Rettung kaum in Frage

Die Kreuzung mit anderen Arten kommt als Ausweg aus der genetischen Sackgasse ebenfalls nicht in Frage. Zwar haben Prof. Dr. Schmid und sein Team versucht, die beiden Arten mit verwandten Arabidopsis-Arten zu kreuzen. Doch der Versuch zeigte keinen Erfolg. Lediglich miteinander zeugten die beiden fruchtbare Nachkommen.

Prof. Dr. Schmids ernüchterndes Fazit: „Wenn der Klimawandel eine schnelle genetische Anpassung erfordern würde, können wir nach dem aktuellen Stand davon ausgehen, dass diese beiden Arten es nicht schaffen würden.“

Forschung im Artenstammbaum

Um zu erkennen, wie sich die beiden Arten von ihren Verwandten unterscheiden, nimmt Prof. Dr. Schmid mit seinem Team die Familiengeschichte der Arabidopsis-Arten unter die Lupe: Vergleiche mit dem Erbgut verwandter Arten zeigen, ob die Gene für bestimmte Merkmale früher einmal in den Arten angelegt waren und im Laufe der Zeit verloren gingen, was die starke ökologische Spezialisierung erklären könnte.

Dazu untersucht er das Erbgut von Pflanzen, die an allen bekannten Standorten der beiden Arten gesammelt wurden. Außerdem erfasst er physiologische Eigenschaften wie die Effizienz der Wassernutzung oder das Vorkommen von Abwehrstoffen gegen Insekten. In den kommenden Monaten will er außerdem die sogenannte Genexpression der Arten untersuchen, also die Frage, ob ein Gen zur Ausbildung eines bestimmten Merkmals aktiviert wurde oder nicht.

Quelle: Universität Hohenheim (idw)

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