Seetang Laminaria ist Alge des Jahres 2007
Archivmeldung vom 05.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAlgenforscher der Sektion Phykologie der Deutschen Botanischen Gesellschaft rufen den Seetang der Gattung Laminaria zur Alge des Jahres aus: Laminaria-Seetang wird mehrere Meter groß und bildet mit anderen Großalgen den "Regenwald des Meeres".
Er enthält Alginsäure, die als Stabilisator in vielen Lebensmitteln und
Kosmetika verwendet wird. Im Gegensatz zu anderen Pflanzen wächst Seetang
vorwiegend in der dunklen Jahreszeit. Algen verbrauchen das Treibhausgas
Kohlendioxid und sind die wichtigsten Sauerstoff-Produzenten der
Erde.
Palmen-, Zucker- und Fingertang wachsen in Wäldern in Nord- und
Ostsee
Seetange der Gattung Laminaria wachsen in ausgedehnten
Unterwasserwäldern in den kühlen Meeren der Nordhalbkugel. In Nord- und Ostsee
krallen sich beispielsweise der Palmentang (Laminaria hyperborea), der
Zuckertang (Laminaria saccharina neuer Name: Saccharina latissim) und der
Fingertang (Laminaria digitata) auf felsigem Meeresgrund fest und streben dem
Licht entgegen. Landpflanzen ähnlich haben die mehrzelligen Braunalgen eine
wurzelähnliche Haftkralle (Rhizoid), einen stammähnlichen Stiel (Cauloid) und
einen blattähnlichen Wedel (Phylloid).
Regenwald des
Meeres
Gemeinsam mit anderen Großalgen bilden Laminarien ein
einzigartiges Ökosystem, das auch als "Regenwald der Meere" bezeichnet wird. Die
Wälder sind der Lebensraum und die Kinderstube vieler Meerestiere, wie Krebse
und Fische. Seeigel, Schnecken und Meerasseln ernähren sich vom Seetang.
Abgeworfene Algenteile werden von Mikroben zersetzt und dienen als Futter für
Tiere, die Schwebteilchen aus dem Wasser filtrieren. Die Unterwasserwälder
reichen auf Helgoland bis in 10 m, im Mittelmeer bis zu 120 m Wassertiefe hinab.
Vor Norwegen dehnen sie sich mehrere tausend Quadratkilometer aus, ein
Mehrfaches der Fläche des Saarlands.
Bedrohte Bestände
In den
vergangenen Jahren gab es wiederholt alarmierende Hinweise über einen
drastischen Rückgang der Laminarien-Bestände, der möglicherweise mit der
Erwärmung der Ozeane zusammenhängt - denn Seetang gedeiht nur in kühlen
Meeren.
Viel verwendeter Naturstoff Alginsäure
In den Zellwänden
des Seetangs formen Alginsäure lange Ketten, die gelieren können. Aus Alginat,
dem Salz der Alginsäure, lassen sich chemisch sehr einfach Gele von genau vorher
bestimmbarer Viskosität herstellen. Daher wird der Naturstoff Alginsäure als
Stabilisator in der Nahrungsmittel-, Kosmetik- und Pharmaindustrie eingesetzt:
Instant-Pudding, Tomatenketchup und Joghurt erhalten ihre Stabilität durch
Alginsäure ebenso wie Eiscreme und Sahnetorten aus der Konditorei. Alginsäure
ersetzt immer häufiger die aus Rindern gewonnene Gelatine, welche als
BSE-Überträger in Verdacht geriet. Da Alginsäure vom menschlichen Körper nicht
verwertet werden, sind sie vielen Diät- und Schlankheitsmenüs zugesetzt. Auch
die Biotechnologie verwendet immer häufiger Alginsäure beispielsweise zum
Trennen von Substanzen. Alginsäure stabilisiert und emulgiert die Cremes,
Lotionen, Zahnpasta, Salben, Massage-Gels und Shampoos der kosmetischen und
pharmazeutischen Industrie. Aufgrund der blutstillenden Wirkung wird
Kalzium-Alginat häufig als Wundverschluss verwendet. Auch Abdrücke in
Zahnprothesen werden mit Alginsäure hergestellt.
Seetang-Ernte
Um
den stetig wachsenden Bedarf an Alginsäure zu decken, schneiden spezielle
Trawler allein in Frankreich jährlich 75.000 Tonnen Laminarien aus den
natürlichen, nachwachsenden Beständen. Hinzu kommen noch einige Tonnen aus
Seetang-Kulturen im Meer. Aufgrund der zunehmenden Nutzung unserer Küsten- und
Meeresregionen und der damit einhergehenden Zerstörung von Lebensräumen, werden
derzeit landgestützte Produktionsstellen entwickelt.
Ungewöhnliches
Wachstum
Während im offenen Wasser einzellige, schwebefähige,
mikroskopisch kleine Algen (Phytoplankton-Arten) vorkommen, gedeihen die bis zu
50 m langen Großalgen (Tange) an Felsküsten. Die drei genannten Laminaria-Arten
wachsen hauptsächlich im Spätwinter und Frühjahr, also zu einer Zeit, wenn nur
wenig Licht bis zu ihnen vordringt. Deutlich ist dies beim Palmentang, der jedes
Jahr ein neues Blatt bildet: Das junge Blatt schiebt das vorjährige Blatt
langsam nach oben. Die notwendigen Bausteine werden in besonderen
Stofftransportbahnen, den so genannten Trompetenzellen, zur Wachstumszone
zwischen Stiel und Blatt transportiert. Die Bausteine entstammen den Blättern
des Vorjahres. Am Ende des Winters zu wachsen ist offenbar sinnvoll, weil das
junge Blatt genau dann fertig ist, wenn die Frühjahrssonne intensiver scheint:
Es kann sogleich beginnen, Energie zu gewinnen.
Warum eine Alge des
Jahres?
Die Algenforscher der Sektion Phykologie wählten heuer erstmals eine Alge des Jahres, weil sie die Öffentlichkeit für diese bedeutende Pflanzengruppe gewinnen möchte: Algen sind die wichtigsten Produzenten des Sauerstoffs unserer Erde. Für diesen Prozess verbrauchen sie das Treibhausgas Kohlendioxid. Allein die Gruppe der Kieselalgen (Diatomeen) ist für 25 % der weltweiten, d.h. terrestrischen und aquatischen Primärproduktion verantwortlich. Kieselalgen stellen somit jedes vierte Sauerstoffmolekül unserer Atmosphäre her. Das ist nicht verwunderlich, schließlich sind zwei Drittel der Erdoberfläche von Ozeanen und Seen bedeckt, deren Licht durchflutete Zonen von Algen bewohnt werden. Darüber hinaus sind die Algen von großer stammesgeschichtlicher Bedeutung, denn die Wiege aller Landpflanzen und Tiere stand im Meer!
Quelle: Pressemitteilung Botanisches Institut, Universität zu Köln