Die Hülle beweist: Die Walnuss ist wirklich eine Nuss
Archivmeldung vom 22.07.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie meisten Botaniker würden die Walnuss als eine Steinfrucht bezeichnen - so steht es in den Lehrbüchern. Tatsächlich ist die Walnuss aber wirklich eine Nuss und das Lehrbuchwissen stimmt nicht mehr.
Die Beweise dafür lieferte Dipl.-Biol. Michael Markowski in seiner Diplomarbeit (betreut am Lehrstuhl für Spezielle Botanik, Prof. Dr. Thomas Stützel), für die er nun mit dem Camillo-Schneider-Preis der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft ausgezeichnet wird. Seine mikroskopischen Untersuchungen der Hülle um die Nuss erlaubten einen Einblick in die Evolution.
Was eine Nuss ist und was nicht
Der Botaniker hat eine genaue Definition
für den Begriff "Nuss". Ob die Frucht der Echten Walnuss (Juglans regia)
botanisch gesehen eine "Nuss" ist oder nicht, hängt direkt mit der
Interpretation der Hülle zusammen, die um die eigentliche Nuss herum liegt. "In
der Literatur existieren dazu zwei unterschiedliche Ansichten, nach denen die
Frucht der Walnuss entweder als Steinfrucht oder als echte Nuss bezeichnet
wird", erklärt Michael Markowski. Es galt also zu klären, welche Pflanzenorgane
bei der Bildung der Hülle beteiligt sind.
Die verräterische Hülle um die
Frucht
Ähnliche Hüll-Strukturen (Fruchtbecher oder Cupula) treten
innerhalb der Familie der Buchengewächse (Fagaceae) auf. Jeder, der schon einmal
im Herbst unter einer Ess-Kastanie Maronen gesammelt hat, wird sich an die
schmerzhafte Begegnung mit der vierklappigen, stacheligen Fruchthülle erinnern,
welche die leckeren Früchte umgibt. Eine solche Struktur ist darüber hinaus nur
bei der Familie der Südbuchengewächse (Nothofagaceae) zu finden. Beide Familien
gehören in die Ordnung der Buchgewächse. Über die Deutung der Cupula finden sich
vielfältige Angaben in der Literatur. Eine der neueren Interpretationen besagt,
dass die Cupula einem gestauchten Sprosssystem entspricht.
Vielleicht
Verwandte: Walnüsse und Kastanien
Rätsel gab nun die Hülle auf, die
innerhalb der Familie der Walnussgewächse (Juglandaceae) auftritt. Bei der
amerikanischen Gattung Carya (Hickory) treten sogar Hüllen auf, die zur
Fruchtreife mit vier Klappen aufspringen und einen harten Kern entlassen.
Funktionell und oberflächlich gesehen ähnelt eine solche Struktur stark einer
Buchengewächs- bzw. Südbuchengewächs-Cupula. Es ist somit denkbar, dass alle
drei Hüll-Strukturen einen gemeinsamen stammesgeschichtlichen Ursprung besitzen.
Sammeln über Monate hinweg
Um diese offenen Fragen zu
beantworten, sammelte und untersuchte Michael Markowski Material von
ausgewählten Vertretern der fraglichen Pflanzen-Familien. Er sammelte zwischen
Januar und Mai 2005 anfangs Knospen, später Blütenstände. Gesammelt hat er
hauptsächlich im Botanischen Garten der RUB, dem Botanischen Garten Düsseldorf
und im Gehölzgarten Ripshorst in Oberhausen. Außerdem besammelte er die
Ess-Kastanien auf dem Uni-Gelände im Bereich der Mensa. Die Arten Ess-Kastanie
(Castanea sativa), Südbuche (Nothofagus antarctica), Echte Walnuss (Juglans
regia), Bitternuss (Carya cordiformis) und die Zapfennuss (Platycarya
strobilacea) sammelte er wöchentlich. Bei anderen Arten stellte er die Entnahme
von Pflanzenmaterial ein. "Da einige der Arten einer Blühperiodik unterliegen,
musste ich mit dem Ausfall, d.h. Nicht-Blühen einzelner Arten rechnen" erklärt
er. "Erst nach wiederholter Knospenentnahme und Präparation konnte ich
schließlich beurteilen, welche Arten in dieser Vegetationsperiode sammelwürdig
waren."
Blüten unter dem Mikroskop
Das Pflanzenmaterial, das er
in allen Entwicklungsstufen der weiblichen Blüten und ihrer Hüll-Strukturen,
angefangen bei sehr jungen Entwicklungsstadien (Zellprimordien) bis hin zur
vollständig entwickelten Blüte, zusammengetragen hatte, untersuchte der Biologe
mit Hilfe der Rasterelektronenmikroskopie. Die dabei gewonnen Ergebnisse
erlaubten schließlich eine plausible Interpretation der Hüll-Strukturen: Die
Ergebnisse zeigen, dass am Aufbau der bei den Walnussgewächsen auftretenden
Hülle ausschließlich Blattorgane beteiligt sind. Es handelt sich somit nicht um
eine der Buchengewächse-Cupula homologe Struktur.
Von drei Blüten blieb
nur eine übrig
Für einzelne Gattungen der Walnussgewächse (z. B. Gattung
Carya) konnte Markowski erstmalig nachweisen, dass an der Bildung der Hülle
zusätzliche Blattorgane beteiligt sind, die Rudimente eines ursprünglich
mehrblütig aufgebauten Teilblütenstandes darstellen. Demnach ist also das, was
bei den Walnussgewächsen bisher als Einzel-Blüte bezeichnet wurde in
Wirklichkeit ein reduzierter Teilblütenstand. Dieser Teilblütenstand war ehemals
dreiblütig, eine mittlere Blüte flankiert von zwei Seitenblüten. Die
Seitenblüten wurden reduziert. Außerdem weist dieser Teilblütenstand das gleiche
Verzweigungsmuster auf, wie es charakteristisch für die Buchengewächse ist.
Somit hat Markowski nun einen morphologischen Nachweis erbracht, der andere, auf
molekulargenetischen Untersuchungen beruhende Ergebnisse unterstützt. "Die
Familie der Walnussgewächse gehört in die Ordnung der Buchengewächse" fasst
Michael Markowski zusammen. "Außerdem beweisen die morphologischen
Untersuchungen an der Echten Walnuss die Interpretation, dass die Walnuss eine
Nuss ist. Somit ist die Interpretation der Frucht als Steinfrucht, wie sie in
vielen Lehrbüchern vertreten wird, nicht korrekt."
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.