Flugangriff der Waldmaikäfer
Archivmeldung vom 06.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAlle vier Jahre Anfang Mai schwärmen die Waldmaikäfer aus. Auch 2006 ist wieder ein Flugjahr für den vom Liedermacher Reinhard May "tot gesungenen" Käfer mit den imposanten lamellenartigen Antennen. Besonders im Fluggebiet Südhessen werden die Laubbäume wieder braun sein von den gefräßigen Gesellen.
Um zu untersuchen, wie die seit 1984 anhaltende Massenvermehrung in der
Rhein-Main-Ebene gestoppt werden kann, startet Hessen-Forst gemeinsam mit
Wissenschaftlern der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft
(BBA) erstmals einen großflächigen Versuch, bei dem es darum geht, die
Population mit Hilfe eines natürlichen Gegenspielers (ein Pilz) zu reduzieren.
"Anfängliche Hoffnungen, die Population werde von selbst zusammenbrechen
haben sich nicht erfüllt", erklärt Prof. Dr. Alfred Wulf von der BBA in
Braunschweig. Laut dem Leiter des Instituts für Pflanzenschutz im Forst hat
Melolontha hippocastani in Hessen 9.000 Hektar Wald fest im Griff. Waren es
anfangs 50 Hektar so registrieren die Forstleute heute 5.000 Hektar mit schweren
Schäden. Bemühungen, den Wald durch Pflanzungen von Laubbäumen zu erneuern,
wurden durch die Maikäfer-Engerlinge sprichwörtlich untergraben. Sie richten den
Hauptschaden an, da sie sich unterirdisch von Wurzeln bevorzugt junger Bäume
ernähren und sie so zum Absterben bringen. "Leider gibt es derzeit keine Mittel
mehr auf dem Markt, um die Waldmaikäfer oder ihre Engerlinge effektiv zu
bekämpfen", zeigt Wulf den Forschungsbedarf auf.
Wissenschaftler vom
Institut für biologischen Pflanzenschutz der BBA in Darmstadt sind in
Forschungsprojekte eingebunden, bei denen überprüft wird, ob sich der Pilz
Beauveria brongniartii zur biologischen Bekämpfung des Käfers und seiner
Engerlinge eignet. "Immer wieder finden sich in der Natur sowohl Engerlinge als
auch erwachsene Käfer, die an einer ,Verpilzung' gestorben sind", erklärt Dr.
Gisbert Zimmermann. Die Kunst sei es jedoch die Pilze gezielt an die Käfer bzw.
Engerlinge zu bringen. "Der Zugriff auf die Engerlinge des Waldmaikäfers ist
kompliziert, da sie sich über drei Jahre unterirdisch im Boden entwickeln, bevor
sie sich im Herbst des 3. Jahres verpuppen und schließlich als Käfer im Frühling
des 4. Jahres ausschwärmen", erklärt sein Kollege Dr. Horst Bathon. "Die
Weibchen legen im Mai nach der Paarung zweimal 20 bis 30 Eier in etwa 30 cm
Tiefe ab, bevorzugt in vergrasten Partien im Wald", so der Entomologe.
In
Vorversuchen (2002/2003) überprüften die BBA-Wissenschaftler, ob sich der Pilz
im Waldboden etablieren lässt. Dazu wurde bei Neupflanzungen Pilzgerste in die
Pflanzlöcher eingebracht oder in einem Kiefernaltbestand in den Boden
eingefräst. Die Darmstädter Berufsfeuerwehr versprühte in einem Testareal eine
Pilzsporensuspension. "Mit allen drei Ansätzen erzielt man eine genügend hohe
Sporendichte im Boden, die ausreichen würde die Engerlinge zu infizieren", fasst
Zimmermann die Ergebnisse zusammen. In einem weiteren Experiment lockte man
männliche Waldmaikäfer in Fallen, um sie dort mit den Pilzen zu infizieren. Es
konnte gezeigt werden, dass sie bei der Paarung die Infektion an die Weibchen
und somit indirekt an die Larven weitergeben. Allerdings waren die Fallenfänge
nur in den höchsten Baumkronen effizient genug.
Das jetzige Flugjahr soll
zeigen, ob die Pilzsporen auch großflächig ausgebracht im Waldboden und über die
erwachsenen Käfer ihre Wirkung entfalten. Dazu werden in der nächsten Woche,
kurz nachdem die Waldmaikäfer ihren großen Flug starten, mit Hubschraubern
Beauveria brongniartii-Sporen ausgebracht. Letztere sind weder für andere
Insektenarten noch für den Menschen gefährlich. Das Darmstädter BBA-Institut
testet vor dem Hubschraubereinsatz die Qualität des Sporenmaterials. Nach der
Applikation verfolgen die Fachleute die Entwicklung der Käferpopulation. Da die
Wirkung des Pilzes nicht sofort eintritt, wird sich die diesjährige
Elterngeneration noch paaren und die Weibchen werden Eier ablegen. Ist der
insektenpathogene Pilz erfolgreich, erblicken in vier Jahren weniger Käfer das
Licht im Versuchsgebiet bei Darmstadt. Dass es gar keine Waldmaikäfer mehr geben
wird, ist hingegen nicht zu erwarten und auch nicht beabsichtigt.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.