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Mal schneller, mal langsamer: Grönlands Gletscherfronten auf dem Rückzug

Archivmeldung vom 06.07.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.07.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Jakobshavn Isbræ, an der Westküste Grönlands gelegen, ist einer der schnellsten und produktivsten Gletscher der Welt. Jährlich produziert er schwimmende Eisberge im Gesamtvolumen von etwa 35 Kubikkilometern; der prominenteste soll 1912 die "Titanic" gerammt haben.

Vier Forscher der TU Dresden brechen jetzt zu einer neuen Expedition auf, die die räumlich-zeitlichen Bewegungsmuster des Gletschers mittels photogrammetrischer Messungen vor Ort bestimmen helfen soll. Prof. Hans-Gerd Maas, Direktor des Instituts für Photogrammetrie und Fernerkundung an der TU Dresden, und Prof. Reinhard Dietrich, Professor für Theoretische und Physikalische Geodäsie und außerdem Vorsitzender der Deutschen Kommission für das Internationale Polarjahr, werden dafür gemeinsam mit zwei Doktoranden mehrere Wochen lang die Bewegung des Eises mit hochauflösenden Digitalkameras festhalten. Neuere Indizien weisen darauf hin, dass der Rückzug der etwa 10 km breiten Eisfront vorläufig stagniert, nachdem der Gletscher in den letzten drei Jahren sehr stark geschrumpft ist. Dafür wollen die Wissenschaftler jetzt Beweise sammeln.

Einfach ist die Geschwindigkeitsmessung dabei nicht. Da der riesige Gletscher, der seit 2004 zum UNESCO Weltnaturerbe gehört, selbst unbegehbar ist, also auch keine Messpunkte auf markanten Punkten angebracht werden können, müssen Hans-Gerd Maas und seine Kollegen die Fließbewegungen des Gletschers vom Rand über photogrammetrische Aufnahmen und ergänzende geodätische Messungen analysieren. Die photogrammetrische Auswertung der Bilder anhand von 4000 zentimetergenau verfolgten Einzelpunkten auf der Gletscheroberfläche, die eine Digitalkamera mit einem Sensorformat von 39 Megapixeln jede Viertelstunde aufnimmt, werden dabei durch die extrem zerklüftete Topographie der Gletscheroberfläche und den Schattenwurf der Eiswände erschwert.

Tag für Tag wandern so gigantische Mengen Eises knackend und grummelnd an der Kamera vorbei, die auf einer seitlichen Anhöhe des Gletscherfjordes in etwa ein bis zwei Kilometern Entfernung zum Eis positioniert ist, bis sie mit leisem Krachen ins Meer abbrechen und davon treiben. Mit den Messungen ihrer ersten Expedition im Jahr 2004 konnten die Dresdner Forscher zum ersten Mal eine senkrechte Hubbewegung der Gletscherzunge im Gezeitentakt um etwa zwei Meter nachweisen Offensichtlich schwamm der vordere Teil des Gletschers auf dem Fjord auf. Immerhin seit 1893 liegen Messergebnisse für die Bewegung des Gletschers vor; danach blieb die Geschwindigkeit des Gletschers 100 Jahre lang in etwa konstant bei zwanzig Metern pro Tag, stieg jedoch während der letzten Jahre fast sprunghaft auf zuletzt vierzig Meter pro Tag an. Bis zu 35 Kubikkilometer Eis pro Jahr produziert der Jakobshavn-Gletscher dabei; umgerechnet entspricht diese Menge dem zehnfachen Wasserverbrauch von ganz Deutschland.

Nun scheint der Gletscher jedoch weniger zu schrumpfen, was möglicherweise auf topografische Ursachen zurückzuführen ist: der Teil seiner Zunge, der auf dem zehn Kilometer breiten Kangia-Fjord auflag, ist fast vollständig abgebrochen. Der Rest des Gletschers liegt auf dem Festland, hinter der so genannten "grounding line". Hier können die Gezeiten nicht mehr an der Gletscherzunge rütteln - der breite Jakobshavn Isbræ zerbricht deshalb langsamer.

Vom 8. Juli an werden die Forscher nun für mehrere Wochen vor Ort sein und - völlig abgeschnitten von der Zivilisation - neben den laufenden Messungen endlich auch wieder etwas mehr Zeit für die Lektüre wissenschaftlicher Artikel haben. Neben dem Jacobshavn Isbrae wird das Verfahren der photogrammetrischen Bestimmung des Fließverhaltens auch an zwei weiter nördlich gelegenen Gletschern angewendet. Sollte sich herausstellen, dass die Fließgeschwindigkeit des Gletschers tatsächlich wieder abgenommen hat, will Prof. Maas den Kollegen etwas besonderes kredenzen: einen zwölf Jahre alten irischen Whiskey mit ein paar Stückchen hunderttausendjährigen grönländischen Eises...

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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