Im Windschatten des Diesel-Abgasskandals: Eine Million mangelhafte Austausch-Katalysatoren in deutschen Pkws und die Untätigkeit von Bundesverkehrsminister Dobrindt
Archivmeldung vom 05.04.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittViele im freien Teilemarkt angebotene Austausch-Katalysatoren überschreiten die gesetzlichen Abgasgrenzwerte bereits im Neuzustand oder nach kurzer Einsatzdauer massiv. Dies belegen Untersuchungen des TÜV Nord aus dem Jahr 2015 im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die derzeit im Fokus stehenden Stickoxid-Grenzwerte werden bei vier von fünf getesteten Austausch-Katalysatoren ohne Blauen Engel nicht eingehalten.
Die DUH hatte das zuständige Bundesverkehrsministerium (BMVI) zuletzt im Frühjahr 2015 auf diesen Umweltskandal mangelhafter Katalysatoren aufmerksam gemacht. Jedoch ist die Behörde bis heute untätig. Die DUH fordert von den am Donnerstag in der Sonder-Umweltministerkonferenz zusammentretenden Politikern den kurzfristigen Start einer funktionierenden Marktkontrolle bei Katalysatoren und eine nationale, kurzfristige Verschärfung der Abgasuntersuchung, um fehlerhafte Partikelfilter wie unwirksame Katalysatoren im Rahmen der Endrohrprüfung identifizieren zu können.
Bereits 2012 wurden das Bundesumwelt-, das Bundesverkehrsministerium sowie das Umweltbundesamt detailliert über mangelhaft wirksame Katalysatoren informiert. Auf Anregung der DUH entwickelte das Umweltbundesamt das Umweltzeichen "Blauer Engel für Austausch-Katalysatoren", das seit 2013 gültig ist. Es kennzeichnet Katalysatoren, die nachweislich über mindestens 80.000 km eine besonders gute Emissionsminderung sicherstellen. Gleichzeitig fordert die DUH seitdem ein behördliches Einschreiten gegen Anbieter von Betrugs-Katalysatoren.
"Es ist ein Skandal, dass das Verkehrsministerium auch dieses Abgas-Problem ignoriert und dass das KBA bis heute eigene Nachtests verweigert und nichts unternimmt. Wir fordern Hersteller von Katalysatoren, Werkstätten sowie den Kfz-Teilehandel dazu auf, ausschließlich entweder Blauer-Engel-Kats oder Originalersatzteile der Fahrzeughersteller zu verkaufen und zu verbauen," sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Die DUH schätzt, dass inzwischen etwa eine Million unwirksamer Katalysatoren in deutschen Pkw verbaut wurden, die die gesundheitsschädlichen Abgase kaum oder gar nicht mindern. So hat der TÜV Nord in seiner Studie für die DUH (http://l.duh.de/mpt46) das Emissionsverhalten von insgesamt acht Katalysatoren vor und nach einer künstlichen Alterung untersucht. Darunter waren ein Original-Austauschkatalysator des Fahrzeugherstellers, zwei Austauschkatalysatoren mit dem Blauen Engel und fünf Austauschkatalysatoren aus dem freien Teilehandel ohne den Blauen Engel. Austauschkatalysatoren müssen auch nach 80.000 km die gesetzlichen Emissionsstandards einhalten. Zwei baugleiche Katalysatoren des britischen Herstellers EEC haben diese Grenzwerte selbst im Neuzustand deutlich überschritten (http://l.duh.de/72p19). Zwei andere untersuchte Katalysatoren schafften zwar den Test im Neuzustand, fielen aber im gealterten Zustand durch.
"Alle bisherigen Nachfragen beim Bundesverkehrsministerium im vergangenen Jahr blieben ohne Antwort," kritisiert Jürgen Resch das Verhalten des Bundesverkehrsministeriums. Am 02. März 2016 forderte die DUH Minister Dobrindt auf, endlich mitzuteilen, welche Schritte er als zuständige Überwachungsbehörde ergriffen hat. Dieses Schreiben blieb ebenso unbeantwortet wie eine nochmalige Nachfrage vom 23.03.2016. Bei dieser Anfrage ging es um den Stand des Austauschs mit der britischen Zulassungsbehörde VCA, die für die Typgenehmigung der besonders schlechten EEC-Kats im Test verantwortlich war. Die DUH möchte erfahren, ob und wenn ja wann das BMVI in den vergangenen zehn Monaten die VCA informiert hat und welche Antwort sie erhielt. Sollte das Ministerium die offenen Fragen nicht fristgerecht beantworten, wird die DUH die Beantwortung gemäß des Umweltinformationsgesetzes vor Gericht einklagen.
Als klageberechtigter Umwelt- und Verbraucherschutzverband geht die DUH nun systematisch gegen offensichtlich unseriöse Angebote vor allem im Versandhandel vor. In einem Fall ist es ihr gelungen, die Handelsplattform Ebay zur Beendigung eines Angebots eines beim TÜV-Test durchgefallenen Katalysators zu bewegen. Die DUH hat mit Ebay eine Zusammenarbeit zur Identifikation offensichtlich minderwertiger Katalysatoren vereinbart und wird nach entsprechenden Hinweisen der DUH nicht zweifelsfrei legale Produkte aus dem Angebot verbannen.
Die DUH begrüßt, dass zwei Jahre nach Etablierung eines Blauen Engels für Austausch-Katalysatoren bereits elf Hersteller und Händler dieser Produkte in dem Industrie- und Handelskreis "Blauer Engel-Kat" zusammenarbeiten und einen erhöhten Qualitätsstandard anbieten. "Der deutsche Teilemarkt wird mit mangelhaften Produkten teilweise überschwemmt und die überwiegend über das Internet verkauften Billigprodukte gefährden nicht nur Mensch und Umwelt, sondern auch tausende Arbeitsplätze in Handel und Industrie. Um diesem Problem zu begegnen, haben wir die Initiative gegründet," sagt Philipp Schulte, Sprecher Industrie- und Handelskreis Qualitätsstandard Blauer Engel-Kat.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (ots)