Deutsche Umwelthilfe geht gerichtlich gegen Nord Stream 2 vor
Archivmeldung vom 05.08.2020
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Freigeschaltet durch André OttDie Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald auf Überprüfung der Betriebsgenehmigung der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2. Die DUH fordert das zuständige Bergamt Stralsund mit der Klage auf, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu unkontrolliertem Methanaustritt zu berücksichtigen und Lecks bei Förderung, Transport und Verarbeitung von Erdgas zu prüfen.
Methan ist Hauptbestandteil von Erdgas und bis zu 86-mal so klimaschädlich wie CO2. Gemäß neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sind die Methan-Emissionen der Erdgas-Förderung deutlich höher als bislang angenommen. In den USA hat dies bereits dazu geführt, dass die Methan-Emissionen der Öl- und Gasindustrie in den nationalen Inventaren um 60 Prozent nach oben korrigiert wurden. Einen Antrag der DUH auf Überprüfung der Genehmigung von Nord Stream 2 auf dieser Grundlage lehnte das Bergamt Stralsund zuvor ab, sodass sich die DUH jetzt an das OVG Greifswald richtet. Die DUH fordert bis zum Abschluss des Verfahrens, den Bau von Nord Stream 2 auszusetzen.
Dazu Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz bei der DUH: "Bau und Betrieb von Nord Stream 2 sind eine Wette gegen die Klimaziele. Die Pipeline zementiert trotz fortschreitender Klimakrise für Jahrzehnte den Import von klimaschädlichem Erdgas nach Deutschland. Wir sind uns sicher, dass Nord Stream 2 mit den mittlerweile vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht genehmigt worden wäre. Die neuen Messmethoden für Methan-Lecks müssen jetzt zwingend berücksichtigt werden, denn sie belegen einen massiven Einfluss der Pipeline auf unser Klima. Die Gas-Pipeline ist demnach noch klimaschädlicher als angenommen: Sie konterkariert langfristig unsere Klimaziele und heizt zudem durch Methan-Lecks bei Förderung, Verarbeitung und Transport ganz akut die Klimakrise an."
Die bereits erfolgte Prüfung der Umweltverträglichkeit durch das Bergamt Stralsund vom 31. Januar 2018 bezieht sich lediglich auf mögliche Methan-Austritte der Nord Stream 2-Pipeline selbst und bewertet diese seeseitig als nicht vorhanden. Diese Betrachtung ist jedoch unvollständig, da sie die Methan-Lecks aus Förderung, Transport und Verarbeitung des Erdgases nicht einbezieht. Diese Emissionen sind jedoch untrennbar mit dem Betrieb von Nord Stream 2 verbunden - ohne den Betrieb der neuen Pipeline wäre die zusätzliche Förderung des fossilen Gases gar nicht möglich. Zu den Emissionen und den Messmethoden von Methan-Lecks gab es nach Erteilung der Genehmigung durch das Bergamt Stralsund zudem neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Sie konnten im ursprünglichen Verfahren nicht berücksichtigt werden, müssen nun aber überprüft werden.
Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin, die die Klageschrift verfasst hat: "Bei Bewertung der Umweltauswirkungen von Nord Stream 2 dürfen nicht lediglich jeweils einzelne Abschnitte der Pipeline betrachtet werden. Jeder einzelne Abschnitt bildet vielmehr eine funktionell notwendige Einheit mit Förderung, Transport und Verarbeitung des fossilen Erdgases. Ansonsten wäre Nord Stream 2 schlechterdings nicht betriebsfähig. Aus diesem Grund müssen mindestens überschlägig die Umweltauswirkungen und Methan-Leckagen aus Förderung, Transport und Verarbeitung des Erdgases bei der Genehmigung berücksichtigt werden. Darüber hinaus wäre der Betrieb von Nord Stream 2 mit dem Vorsorgeprinzip kaum vereinbar, wenn auf Grund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht auszuschließen ist, dass in Zusammenhang mit eben dem Betrieb über mehrere Jahrzehnte in erheblichem Umfang in hohem Maße klimarelevante Methanemissionen freigesetzt und die Bemühungen des Paris-Abkommens ausgehebelt werden würden."
Gemäß dem europarechtlich verankerten Vorsorgeprinzip muss bei unvollständigem Wissen über das Ausmaß von Umweltschäden vorbeugend gehandelt werden, um diese zu vermeiden. Genau dies ist bei Nord Stream 2 der Fall: Durch den Betrieb werden Treibhausgasemissionen aus der Nutzung des fossilen Erdgases über Jahrzehnte festgeschrieben, zusätzlich können extrem klimaschädliche Methan-Lecks nicht beziffert oder ausgeschlossen werden, hohe Methan-Lecks sind nach Stand der Wissenschaft vielmehr sehr wahrscheinlich. In ihrer Klage beantragt die DUH deshalb auch eine entsprechende Vorlage dieser Frage beim Europäischen Gerichtshof.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (ots)