Rechtswidrige Vernichtung der Kormoranbrut am Bodensee
Archivmeldung vom 09.04.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Naturschutzbund NABU und die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) sind erschüttert über die Vernichtung der Kormoranbrut im Naturschutzgebiet Radolfzeller Aachried. Dort nistet die einzige Kormorankolonie am deutschen Bodensee.
Die vom Regierungspräsidium Freiburg als "Kormoranmanagement" bezeichnete und genehmigte Aktion ist nach Auffassung von NABU und DUH eindeutig rechtswidrig. "Wir haben Minister Hauk im Vorfeld dringend aufgefordert, diese Aktion zu stoppen. Dass er es nicht getan hat und damit das Naturschutzrecht missachtet, macht uns fassungslos", sagt der NABU-Landesvorsitzende Dr. Andre Baumann. "Minister Hauk stellt damit ohne Not seinen eigenen Aktionsplan zur biologischen Vielfalt in Frage und erweist Naturschutz und Tourismus einen Bärendienst. Die mehr als 3.600 Protest-E-Mails, die bislang beim Regierungspräsidium eingegangen sind, zeigen deutlich: Die Menschen am Bodensee und in ganz Europa haben für diesen Vernichtungszug kein Verständnis."
Der NABU hatte im Vorfeld der Aktion eine Petition an den Landtag gerichtet, um die Aktion zu stoppen. Dass der Vorsitzende des Petitionsausschusses, MdL Jörg Döpper, die Petition des NABU einfach abgelehnt hat und so einer ausgewogenen Diskussion ausweicht, bezeichnet der NABU als alarmierend und einmalig. "Das ist eine Verhöhnung des Petitionsausschusses und zeigt, dass hier nicht nur die Regeln des Rechts, sondern auch die Regeln der Demokratie missachtet wurden", sagt Baumann.
Das Vorgehen des Regierungspräsidiums Freiburgs bei der Zulassung der Vernichtungsaktion bezeichnete DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake als "eines Rechtsstaates unwürdig". Das Regierungspräsidium habe nach über zwei Jahren Prüfung eines Antrags von vier Fischereivereinen am Dienstagnachmittag (8. April) einen Verwaltungsakt erlassen. "Dieser ist in rechtswidriger Weise für sofort vollziehbar erklärt worden, damit Widersprüche keine aufschiebende Wirkung entfalten können", sagte Baake. Der NABU hat mit Unterstützung der DUH binnen weniger Stunden beim Verwaltungsgericht Freiburg einen Eilantrag gestellt und darüber auch das Regierungspräsidium informiert. Um vor einer Entscheidung des Gerichts Fakten zu schaffen, sei die Vernichtungsaktion noch in derselben Nacht exekutiert worden. "Mit einem solchen Vorgehen von staatlichen Behörden muss man wahrscheinlich in Russland oder China rechnen, aber in einem Rechtsstaat darf das nicht passieren", sagte Baake. Er bezeichnete dieses Vorgehen als eine beispiellose Missachtung der gesetzlich garantierten Rechte der Naturschutzverbände durch die Baden-Württembergische Landesregierung. Der Regierungspräsident Freiburg beruft sich in seinem Bescheid auf die ausdrückliche Zustimmung des vorgesetzten Ministeriums für Ernährung und Ländliche Entwicklung. "Minister Peter Hauk trägt für das rechtswidrige Handeln seiner Behörde die volle politische Verantwortung und muss für dieses Vorgehen zur Rechenschaft gezogen werden", forderte Baake.
"Die Vernichtungsaktion verstößt gegen geltendes Naturschutzrecht. In dem Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg wird weder nachgewiesen, dass der Fischereiwirtschaft erhebliche Schäden drohen, noch sind die zum Schutz der Vögel in den Regelungen des Naturschutzrechts vorgesehenen Kontrollmaßnahmen festgelegt", sagte Dr. Cornelia Nicklas, Leiterin Recht der DUH. In dem Bescheid schreibt das Regierungspräsidium ausdrücklich, dass ein Tag vor der Vertreibungsaktion im Naturschutzgebiet geprüft werden müsse, ob die Bruten anderer geschützter Arten betroffen seien. Da der Bescheid erst am Dienstagmittag erlassen worden ist, konnte die ordentliche Überprüfung jedoch gar nicht stattfinden und die Störaktion hätte frühestens in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag durchgeführt werden dürfen.
In der Nacht zum Mittwoch (9.4.) haben Mitarbeiter des Regierungspräsidiums die Elternvögel mit grellem Scheinwerferlicht so sehr unter Druck gesetzt, dass sie ihre Eier sowie die bereits geschlüpften Jungvögel im Stich gelassen und dem Kältetod preisgegeben haben. Die Aktion fand mit dem Segen des Regierungspräsidiums und des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum statt - in einem Naturschutz- und EU-Vogelschutzgebiet! "Es war traurig, ohnmächtig zu verfolgen, wie Mitarbeiter des RP durch das Schilf im Naturschutzgebiet gestapft sind und dabei Kormorane und andere geschützte Vogelarten aufgeschreckt haben", berichtet Baumann, der selbst vor Ort war. "Insbesondere für unsere Aktiven vor Ort, die das Naturschutzgebiet Aachried seit Jahren im Auftrag des Regierungspräsidiums pflegen, war es ein Schlag ins Gesicht, dass dieselbe Behörde das Naturschutzgebiet jetzt selbst entwertet." Das RP hatte zudem die Beobachtung anerkannte Vogelexperten ignoriert, nach denen bereits Jungvögel geschlüpft sind und der Schwarzmilan auf den Koloniebäumen mit dem Brutgeschäft begonnen hat. Diese Tötung von Jungvögeln war nach Auffassung von NABU und DUH illegal.
Der Kormoran - Kurzportrait Kormorane haben ein schwarz glänzendes Federkleid mit weißem Kinn. Sie werden rund 90 Zentimeter groß. Charakteristisch ist die Hakenspitze am Schnabel, mit der sie Fische besser ergreifen können. Sie sind in der Lage bei entsprechend guter Sicht bis zu 40 Meter tief zu tauchen und dabei Fische mit dem Schnabel zu fangen. Im Gegensatz zum Gefieder der meisten Wasservögel ist das der Kormorane nicht wasserabweisend. Daher sitzen sie oft zum Trocknen aufgerichtet mit halb ausgespannten Flügeln am Ufer, auf Bäumen oder Felsen.
Kormorane ernähren sich überwiegend von Fisch. Der tägliche Nahrungsbedarf liegt bei rund 500 Gramm. Kormorane sind Zugvögel und brüten einmal im Jahr in Kolonien. Ein Gelege besteht aus bis zu vier länglich ovalen Eiern von weißer bis hellblauer Farbe. Diese werden 23 bis 30 Tage lang von Männchen und Weibchen bebrütet. Die Jungvögel sind zunächst nackt und auf den Witterungsschutz durch die Alttiere angewiesen. Erst nach zwei Monaten sind die Jungen flugfähig. Insgesamt sind die Vögel von April bis August mit Brut und Jungenaufzucht beschäftigt. In diesem Jahr haben die Kormorane aufgrund des Klimawandels bereits Anfang/Mitte März mit der Brut begonnen. Kormorane können bis zu 20 Jahre alt werden.
Der Kormoran ist nach EU- und Bundesrecht geschützt und unterliegt nicht dem Jagdrecht.
Quelle: DUH