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EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen "Kettensägenaktionen" an der Elbe

Archivmeldung vom 03.04.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.04.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Jens Brehl

Die EU-Kommission hat nach intensiver Prüfung hart und unmissverständlich auf die "Kettensägenaktionen" in der Kernzone des Biosphärenreservats "Niedersächsische Elbtalaue" reagiert. Nach einer Beschwerde der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) leitete die Kommission Ende März ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren (nach Artikel 226 EG-Vertrag) gegen Deutschland ein, das vor allem den niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) in Bedrängnis bringt.

Der Minister hatte die Abholzaktionen in den Elbtalauen nicht nur angeordnet, sondern am 29. November vergangenen Jahres sogar eigenhändig mit der Kettensäge Hand an ufernahe Weiden in den durch internationales, europäisches und nationales Naturschutzrecht besonders geschützten Elbtalauen gelegt. Später hatte Sander versucht, dies der empörten Öffentlichkeit als Hochwasserschutzmaßnahme zu verkaufen, ohne tragfähige Begründung und ohne die europarechtlich vorgeschriebene fachliche Prüfung.

Ausgerechnet während der deutschen Ratspräsidentschaft eröffnet die EU-Kommission nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, die sich im Ausland immer noch gern als Vorreiter im Umwelt- und Naturschutz präsentiert. Schriftlich teilt die Kommission mit, dass die Abholzaktionen in der Elbtalaue mehrere europäische Naturschutzgesetze verletzt hätten. Besonders schwer wiegt der wahrscheinlich einmalige Vorwurf, Deutschland (bzw. Niedersachsen) habe im Rahmen der von der EU durchgeführten Untersuchung der Vorgänge gegen die "Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit mit der Kommission gemäß Artikel 10 EG verstoßen".

"Ein Umweltminister, der mit der Kettensäge gegen die geschützte Natur vorgeht, der das Umweltrecht mit Füßen tritt und der Deutschland während der eigenen Ratspräsidentschaft in Europa blamiert, hat in diesem Amt nichts mehr zu suchen. Er muss sofort zurücktreten", verlangte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake heute vor Journalisten in Hannover.

Den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) forderte Baake auf, umgehend einen unabhängigen Ermittler einzusetzen, um den schwerwiegenden Vorwurf der Behinderung der EU-Kommission bei der Untersuchung der Abholzaktionen aufzuklären. "Von Herrn Sander erwarten wir nichts mehr, außer seinen Rücktritt. Vom niedersächsischen Ministerpräsidenten erwarten wir, dass er dem Vorwurf der Illoyalität seiner Landesregierung gegenüber der EU-Kommission unverzüglich nachgeht, um Schaden von seinem Land und von der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden", so Baake.

"Die Vorschriften des Umwelt- und Naturschutzrechts sind auch dazu gemacht, dass sie der qua Amt oberste Umweltschützer des Landes beachtet. Die Vorgänge in Niedersachsen zeugen von einem abenteuerlichen Rechts- und Amtsverständnis", sagte die Leiterin Verbraucherschutz und Recht bei der DUH, Cornelia Ziehm. Das habe jetzt auch die EU-Kommission mit erfreulicher Deutlichkeit bestätigt. Besonders wichtig sei, dass die Kommission die Bundesregierung als ihre Ansprechpartnerin ausdrücklich auffordere, bis zum Abschluss der Untersuchungen keine weiteren Baumfällungen in den geschützten Elbtalauen mehr zuzulassen. Die Entscheidung der EU-Kommission bedeute im Übrigen nicht, so Ziehm weiter, dass Naturschutzrecht über Hochwasserschutz gestellt würde. Im Gegenteil. Denn die Kettensägenaktionen des Ministers dienten der medialen Selbstdarstellung, nicht jedoch dem Hochwasserschutz. Die DUH habe dem niedersächsischen Umweltministerium die entsprechenden wissenschaftlichen Fakten geliefert, bevor Sander dann zur Kettensäge griff. Die Reaktion aus Hannover auf die DUH-Warnungen seien "Uneinsichtigkeit und Ignoranz" gewesen, wofür der Minister nun die Quittung aus Brüssel erhalte.

Frank Neuschulz, der an der Elbe lebende Leiter Naturschutz der DUH, nannte das Eingreifen der EU-Kommission ein "Hoffnungszeichen gegen den Elbe-Aktionismus Sanderscher Prägung". Die Entscheidung bedeute, dass in Niedersachsen endlich ein tatsächlich vorsorgender Hochwasser- und Auenschutz eingeleitet werden könne. "Umweltminister Sander kann sich nicht länger in populistischen Kettensägenaktionen ergehen und Niedersachsen sich nicht länger der überfälligen Schaffung von Überflutungsflächen an der Elbe verschließen". Die seien notwendig, um flaschenhalsähnlichen Engstellen zwischen den Deichen zu entschärfen. Der Wegfall der brachialen Abholzaktionen werde Niedersachsen auch zwingen, stattdessen im Hochwasserschutz die bisher verweigerte Abstimmung mit anderen Elbanrainern zu suchen.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e.V.

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