Windkraft: Energie der Zukunft oder teure Landschaftszerstörung?
Archivmeldung vom 30.06.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG), das im Jahr 2000 in Kraft getreten ist, garantiert Windpark-Betreibern während zwanzig Jahren kostendeckende Tarife für den Strom, den sie ins Netz speisen. Ab 2020 läuft diese Förderung jährlich für Tausende Windräder aus. Lassen sich die Windräder auch ohne Förderung wirtschaftlich betreiben? Dieser Frage ging Bolle Selke in seinem Bericht bei dem russischen online Magazin "Sputnik" nach.
Das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG), das im Jahr 2000 in Kraft getreten ist, garantiert Windpark-Betreibern während zwanzig Jahren kostendeckende Tarife für den Strom, den sie ins Netz speisen. Ab 2020 läuft diese Förderung jährlich für Tausende Windräder aus. Lassen sich die Windräder auch ohne Förderung wirtschaftlich betreiben?
„Es gibt deutschlandweit über 1000 Bürgerinitiativen, die sich gegen Windkraftanlagen in ihrer Umgebung engagieren“, betont der Journalist und Buchautor (Geopferte Landschaften) Georg Etscheit. „Ein Professor aus Magdeburg hat das schon mal als eine der größten Bürgerbewegungen bezeichnet, die es überhaupt jemals in der Bundesrepublik gegeben hat.“
Dass man von dieser Bürgerbewegung relativ wenig mitbekomme, vor allem in den Städten, liege wohl auch daran, dass das Thema Windkraft sehr umstritten sei und der Protest gegen Windkraft von vielen Medien nicht thematisiert würde. Protestiert werde vor allem gegen die massiven Auswirkungen der Windkraftanlagen:
„Fahren sie mal in den Hunsrück, fahren sie mal nach Brandenburg, da sieht man manchen Wald vor lauter Windkraftanlagen nicht mehr. Ich möchte dort nicht mehr leben, und es gibt viele Menschen, die sich auch mit dem Gedanken tragen, diese sogenannten Energielandschaften zu verlassen. Es werden hunderttausende von Vögeln und Fledermäusen erschlagen, das ist nachgewiesen. Es gibt natürlich die Problematik der Lärmbelästigung, nicht nur der Infraschall, der existent ist und keine esoterische Einbildung, sondern große Windparks erzeugen auch ganz normalen Lärm. Ich habe mal einen Beitrag gelesen, wo ein Bürgermeister, der durchaus windkraftfreundlich war, sagte: ‚Wenn da richtig Wind weht, dann ist das so laut, wie wenn man an einem Flugplatz wohnt.‘“
Grundsätzlich sei klar, dass jede Energiegewinnungsform, auch die Windenergie, negative Folgen und Konsequenzen habe, meint auch Andree Böhling, Experte für Energiewende bei Greenpeace. Das ganze müsse aber im Kontext abgewogen werden: Was wäre die Alternative? Greenpeace habe da eine ganz klare Richtung: erneuerbare Energien statt Atom- und Kohlekraft. „Genau diese alten Technologien verursachen viel größere Risiken und Auswirkungen auf Menschen.“
Deutschland brauche auf jeden Fall mehr Windenergie, meint Böhling. Das Tempo beim Ausbau der Windenergie müsste laut Greenpeace deutlich erhöht werden, wenn die politischen Ziele beim Ausbau der erneuerbaren Energien erreicht werden sollen: zum Beispiel bis 2030 den Anteil der erneuerbaren Energien auf 65 Prozent an der Stromerzeugung zu erhöhen. Der aktuelle Kurs der Bundesregierung sei zu wankelmütig. Das sei für die Branche und Investoren mühsam, denn dort werde Planungssicherheit gebraucht.
Der Naturfreund Etscheit ist dagegen, dass auch nur noch ein Windrad in Deutschland gebaut wird. 30.000 Windräder seien mehr als genug. Die Belästigungen seien enorm und die Landschaften großenteils schon völlig entstellt und verheert. Zu den Nachteilen der Windkraft führt er aus:
„Im Moment wird etwa ein Drittel des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Davon wiederum ist etwa die Hälfte Windkraft. Wenn man jetzt auch die ganzen Bereiche Wärme, Heizung zum Beispiel, sowie den ganzen Verkehr auf Ökostrom umstellen wollte, dann würde alle 500 Meter ein Windrad stehen. Das kann niemand wollen.“
In Deutschland gebe es sehr komplexe und umfangreiche Planungsverfahren für Investitionen jeglicher Art, auch für die Windenergie, erklärt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie (BWE) Wolfram Axthelm. Die Anlagen würden nicht einfach irgendwo hingestellt. Bei dem Planungsverfahren werden viele Einzelaspekte abgewogen und beurteilt. Dazu würden Naturschutzbelange ebenso wie Anwohnerinteressen gehören.
Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass es, bei aller öffentlichen Wahrnehmung des Protestes gegen Windenergie, auch eine breite Unterstützung gebe. Im Durchschnitt werden Anlagen mit vier- bis fünftausend Megawatt pro Jahr zugebaut.
Doch am 31.12.2020 läuft die Förderung nach dem EEG erstmals für eine größere und dann jährlich wachsende Anzahl von Anlagen aus. Das werden im ersten Schritt etwa 4000 Megawatt sein, dann in den folgenden vier Jahren insgesamt 14.000 Megawatt. Das heiße aber nicht, dass die Anlagen sofort stillgelegt oder nicht mehr Strom produzieren würden.
Der Bundesverband Windenergie diskutiert im Moment, ob sich eine Windkraftanlage ohne Förderung noch wirtschaftlich weiterbetreiben lässt. Beim Stand der gegenwärtigen Börsenstrompreise sei dies eher schwierig. Die liegen im Moment bei etwas über drei Cent, gebraucht würden vier bis viereinhalb Cent, sagt Axthelm. Aber keiner könne genau wissen, wo der Strompreis 2021 stehen wird.
Für den Fall, dass die Betreiber die Windkraftanlagen wieder abbauen müssen, befürchtet Etscheit, dass dann irgendwann ein riesiges Endlager von Windanlagen-Schrott das Land überziehen wird. Das wird so nicht passieren, versichert Axthelm. 30.000 Euro pro Megawatt wurden vom Bundesverband Windenergie als Kosten für den Fall des Rückbaus veranschlag und müssen zurückgestellt werden. Da gebe es weder eine Bankbürgschaft, noch sonst irgendeine Art der Absicherung. Das Geld sei indes vorhanden.
Ob der Börsenstrompreis nach 2020 ausreicht, liege aber auch in der Hand der Politik, sagt Axthelm:
„Bei den Jamaika-Koalitionsverhandlungen gab es die Übereinstimmung zwischen CDU, FDP und Grünen, dass man siebeneinhalb Gigawatt Kohleleistung unproblematisch vom Netz nehmen könnte. Die Bundesnetzagentur hat am Wochenende gesagt, aus ihrer Sicht könnten in den kommenden Jahren 50 Prozent der Kapazität aus dem Bereich der Braunkohleverstromung zurückgeführt werden. Es gibt offensichtlich zu große Kapazitäten. Die Preisentwicklung ab 2021 ist eine, die nicht nur der Markt in der Hand hat, sondern die stark politisch beeinflusst ist. Im Moment hat die Politik noch nicht den Mut, auf Braunkohlekapazitäten zu verzichten.“
Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesteckt, bis zum Jahr 2030 65 Prozent des Strommarktes mit erneuerbaren Energien abzudecken. Im Moment sehe der BWE nicht, wie man dies glaubwürdig erreichen wolle. Axthelm bekräftigt:
„Wenn man 2030 wirklich ernst nimmt, wenn man 2050 (die Klimaschutzvereinbarung von Paris) ernst nimmt, dann brauchen wir einen vernünftigen Ausbaupfad, der bei Windenergie an Land 5000 Megawatt pro Jahr bedeutet.“
Dann würden die Bevölkerung und die Industrie, die das möglichst aufbauen sollen, auch wissen, woran sie sind.
Etscheit allerdings meint, dass man nicht durch eine falsche Förderpolitik einen technologischen Weg vorgeben dürfe, der sich am Ende vielleicht als Sackgasse erweise. Für ihn ist nur eins umweltfreundlich: „Energie sparen und Effizienz – je mehr, desto besser.“ Den Energiebedarf, der dann am Ende übrig bleibt, könne man dann versuchen, aus erneuerbaren Quellen zu generieren. Etscheit warnt aber:
„Es ist völlig unmöglich, diesen enormen Energieverbrauch, den wir uns in Zeiten eines atomaren und fossilen Energieüberflusses angewöhnt haben, mit Windenergieanlagen oder Solarkraft zu decken, in Breiten, wo weder viel Wind weht noch viel Sonne scheint. Ich fand immer das Desertec-Programm ziemlich sympathisch. Wo man sagt, man produziert dort Solarstrom in großem Maße, wo die Sonne unbegrenzt scheint. Also in Wüsten wie der Sahara. Technologieoffen muss man sein. Das beinhaltet auch, ‚saubere‘ Kohle mit Abscheidung des CO2 zumindest weiterzuentwickeln. Ich bin kein großer Freund der Atomindustrie, aber um die Klimaziele zu erreichen, hätte man erstmal die schon bestehenden Atomkraftwerke weiter laufen lassen sollen. Dann sähe es heute deutlich besser aus.“
Windrad fällt Sturm zum Opfer
Diese Bilder aus dem Netz zeigen, wie eine Windkraftanlage durch einen stürmischen Wind an ihre Grenzen gebracht wird: Die Böen rissen von diesem robust wirkenden Windrad in Sekundenschnelle die Rotorblätter ab. Vermutlich reagierten die Sicherungssysteme der Windkraftanlage zu spät auf den Sturm oder waren einfach komplett ausgefallen.
Laut dem Kommentar zu diesem YouTube-Video erreichten die Windböen knapp 100 Stundenkilometer, was der Anlage offensichtlich zum Verhängnis wurde.
Einige Rotorblätter wurden durch die Luft geschleudert, dann stürzte ein Stück der Anlage auf den Boden.
Ob jemand bei dem Zwischenfall verletzt wurde, wird nicht berichtet.
Quelle: Sputnik (Deutschland)