Ameisen: Flexibel bei der Ernte
Archivmeldung vom 01.06.2011
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtIn Ameisenstaaten ist ein hoch effizientes System der Arbeitsteilung und Kommunikation verwirklicht. Ein neues Beispiel für die gute Organisation dieses Systems liefern Forscher vom Biozentrum der Uni Würzburg am Beispiel von Blattschneiderameisen. Blattschneiderameisen sind die Gärtner unter den Tieren: Mit ihren kräftigen Kiefern schneiden sie von Pflanzen Blattstücke ab und tragen sie in spezielle Zuchtkammern in ihrem Nest. Dort dienen die Blätter als Nährboden für einen Pilz, den die Ameisen sehr sorgsam kultivieren – denn von diesem Pilz ernährt sich ihre gesamte Kolonie.
Professor Flavio Roces vom Biozentrum der Universität Würzburg ist Spezialist für Blattschneiderameisen. Wie gut organisiert und flexibel die Tiere beim Sammeln von Pflanzenblättern vorgehen, beschreibt er mit seinem Kollegen Martin Bollazzi in einer Publikation in der Zeitschrift PLoS ONE.
Ihre neuen Erkenntnisse haben die Forscher bei Freilandstudien in Uruguay gewonnen. Dort untersuchten sie 15 Kolonien der Blattschneiderameisen Acromyrmex heyeri, die auf das Abschneiden von Grashalmen spezialisiert sind.
So läuft die Grasernte ab
Die Grasernte beginnt am frühen Morgen; dann verlassen zahlreiche Sammlerinnen das Nest. Finden sie einen ertragreichen Ernteplatz, holen sie weitere Helferinnen dazu: Die Tiere laufen zum Nest zurück, legen dabei eine chemische Duftspur und informieren schon auf dem Heimweg andere Ameisen über den Fund. Das geschieht mittels Kopf-zu-Kopf-Kontakt und durch Berührungen mit den Antennen.
Auffällig: Zu Beginn der täglichen Sammelarbeit kehren rund 70 Prozent der Ameisen ohne Grasstücke vom Ernteplatz zum Nest zurück. Und die wenigen Ameisen, die doch Material mit sich tragen, bringen verhältnismäßig kleine und leichte Stücke nach Hause. Doch das ändert sich im Lauf des Vormittags, und schon bald tragen immer mehr Ameisen immer größere Grasstücke ins Nest.
Rekrutierung ist am Anfang vorrangig
Diese Beobachtung interpretieren die Biologen so: „Am Anfang der Sammeltätigkeit ist es wichtig, schnell viele Erntehelfer zu rekrutieren – denn es besteht die Gefahr, dass andere Ameisenkolonien den Ernteplatz für sich beanspruchen“, sagt Professor Roces. Ein Großteil der Ameisen verzichtet darum komplett auf den Blatttransport und kümmert sich nur um die Rekrutierung. Die Tiere, die Blattmaterial tragen, wählen kleinere und damit leichtere Stücke. Außerdem laufen sie zum Beginn der Ernte viel schneller als später, wodurch sie die Rekrutierung weiter beschleunigen.
Ist der Ernteplatz mit einer ausreichenden Zahl von Ameisen gesichert, widmen sich die Tiere verstärkt der Ernte und lassen mit der Rekrutierung der Anderen nach. Nur noch 20 Prozent der Arbeiterinnen, die das Nest verlassen, nehmen dann Kontakt mit den Heimkehrern auf, während das in der Anfangsphase des Sammelns auf etwa 70 Prozent zutrifft.
Beleg für Informationstransfer-Hypothese
„Damit haben wir einen weiteren Hinweis gefunden, der die Informationstransfer-Hypothese stützt“, sagt Flavio Roces. Diese Hypothese besagt: Wenn soziale Insekten eine reichhaltige Nahrungsquelle
entdecken, tragen zuerst nicht alle Sammler die maximal mögliche Menge zurück ins Nest. Stattdessen kehrt ein Teil von ihnen unbeladen und schneller zurück, um den Anderen die Information über die Quelle zu überbringen. Das mindert zwar die Ernteleistung des Einzelnen, macht aber die Kolonie im Ganzen auf Dauer deutlich leistungsfähiger.
Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg