Deutsche Umwelthilfe klagt gegen Teilgenehmigung für E.on-Kohlekraftwerk Staudinger
Archivmeldung vom 14.03.2011
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Freigeschaltet durch Fabian PittichUmweltorganisation reicht Klage gegen immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung für neuen Block 6 im hessischen Großkrotzenburg ein - Genehmigung verstößt gegen europäische und nationale Umwelt- und Gesundheitsschutzvorgaben - DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake: Nicht mehr zeitgemäßes Projekt stoppen, "bevor es richtig teuer wird". Wegen zahlreicher Fehler und Mängel im Genehmigungsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt klagt die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel gegen die Ende Dezember erlassene immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung für den Bau des Steinkohle-Blocks 6 im Kraftwerk Staudinger (Großkrotzenburg).
Mit der Klage greift die Umweltorganisation die immissionsschutzrechtliche Grundlage für Europas größten Steinkohle-Monoblock (1.055 MW) der E.on Kraftwerke GmbH an. DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake nannte die Teilgenehmigung "in mehreren Punkten rechtsfehlerhaft", weshalb die Klage gute Erfolgsaussichten habe. Der DUH-Geschäftsführer forderte den E.on-Konzern auf, die Pläne für den neuen Kohleblock aufzugeben, "bevor sie für das Unternehmen richtig teuer werden". Baake: "Neue Kohlekraftwerke belasten nicht nur das Klima, sie können in Deutschland angesichts des rasanten Ausbaus der Erneuerbaren Energien und der steigenden CO2-Kosten auch nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden". Selbst wenn sich E.on wider erwarten vor Gericht durchsetzen sollte, drohe in Großkrotzenburg erneut eine Investitionsruine wie derzeit beim gerichtlich gestoppten Kraftwerksneubau im westfälischen Datteln.
Die DUH-Klage stützt sich insbesondere auf die in der Genehmigung nicht ausreichend berücksichtigte Vorbelastung der Region. So würden die mit der Inbetriebnahme des neuen Kohleblocks verbundenen zusätzlichen Emissionen von Quecksilber in die Atmosphäre und in den Main nach Überzeugung der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation gegen europäisches Recht verstoßen. Die EU-Richtlinie 2008/105/EG zum Schutz von Fischen, Muscheln und anderen Tieren gibt strenge Quecksilber-Grenzwerte vor, die im Main schon heute um ein Vielfaches überschritten werden. Die DUH hatte bereits im Juni 2010 in einem umfangreichen Rechtsgutachten nachgewiesen, dass die Grenzwerte einzuhalten seien und kein zusätzliches Quecksilber in den Main eingetragen werden dürfe. Der Kraftwerksbetrieb würde außerdem zu Belastungen mit weiteren giftigen Schwermetallen wie Arsen, Cadmium und Blei, sowie zur Überschreitung von Lärmgrenzwerten führen und die Gesundheit von Anwohnern beeinträchtigen. Darüber hinaus würden die mit dem Kraftwerksbetrieb unvermeidlich erhöhten Stickstoffbelastungen in benachbarten FFH-Gebieten nach Überzeugung der DUH empfindliche Pflanzengesellschaften, die unter dem Schutz des EU-Naturschutzrechts stehen, zerstören. Auch seltene Zugvögel und Fledermäuse würden durch den Bau des Kraftwerks massiv beeinträchtigt. Die vielfältigen Beeinträchtigungen von Flora und Fauna machten den Kraftwerksbau von vornherein rechtlich unzulässig, erklärt die DUH.
Das von der Genehmigungsbehörde vorgebrachte Argument, im Gegenzug würden die alten Kraftwerksblöcke 1 bis 3 stillgelegt und damit insgesamt weniger Schadstoffe entstehen, sei ein politisches und rechtliches Täuschungsmanöver. Denn bis Ende 2012 müsse der Kraftwerksbetreiber E.on die Altanlagen ganz unabhängig von dem neuen Kohleblock 6 stilllegen, weil die alten Blöcke nicht mehr den geltenden Bestimmungen entsprechen und E.on bewusst auf eine Nachrüstung verzichtet habe. Man könne deshalb nicht, wie das Regierungspräsidium es versuche, die alten Blöcke gegen die Neuanlage aufrechnen. Darüber hinaus machen schwere Verfahrensfehler die Genehmigung nach Ansicht der DUH rechtlich unzulässig. So hat das Regierungspräsidium die europarechtlich geforderte Koordinierungspflicht von immissionsschutz- und wasserrechtlichem Verfahren missachtet, indem die Teilgenehmigung erlassen wurde, obwohl das wasserrechtliche Verfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal begonnen hatte. Eine für die Genehmigung zwingend erforderliche positive Prognose des Gesamtvorhabens war mangels hinreichend aussagefähiger Beurteilung der Gewässersituation nicht möglich. Schließlich wurden in der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht sämtliche Umweltauswirkungen herausgearbeitet, so dass auch hier wasserrechtliche Fragestellungen nicht beurteilt werden konnten.
In dem Klageverfahren wird die DUH von dem Berliner Fachanwalt Peter Kremer vertreten, der bereits geplante Kohlekraftwerke in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) und Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) zu Fall gebracht hat. Neben der DUH klagen auch der BUND Landesverband Hessen, der Bund Naturschutz in Bayern, die Stadt Hanau, die Gemeinde Hainburg sowie die Stadt Alzenau gegen das Milliardenprojekt des Energiekonzerns in Großkrotzenburg. Mit einer Entscheidung des Gerichts wird frühestens in einem Jahr gerechnet.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V.